Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wie sind Sie auf diese Geschichte gekommen?

DB: Ich habe eine TV-Show gesehen, in der das Thema Sex behandelt wurde. Alle Gäste waren sehr eloquent und so aufgeklärt, aber einer hatte eine anachronistische Meinung, paßte nicht in die Runde und hatte auch noch eine Uniform an. Ich mußte an "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" von Brecht denken, dann fiel mir ein - ach ja, Heilsarmee! Mir gefiel diese Figur, diese Uniform, diese alte Moral, und ich dachte, das müßte man mal in die Welt schicken und ihr damit einen Spiegel vorhalten.

BF: Heike Makatsch hat erzählt, daß Sie - im Gegensatz zu ihrer vorigen Zusammenarbeit bei "Männerpension" - sehr intensiv mit dem Kameramann gearbeitet haben.

DB: Es war für mich klar, daß ich diesen Film nicht realistisch fotografieren kann, ich muß ihn hochfahren, also künstlich machen, damit ich über die Künstlichkeit eine größere Realität herstelle. Ich konnte mir nicht vorstellen, Obdachlose oder die Heilsarmee realistisch zu zeigen. Dann sehe ich sie mir lieber auf der Straße an oder in einem Dokumentarfilm. Ich glaube nicht daran, daß Realismus entsteht, wenn eine Kamera dabei ist.

BF: Ist die Werbeoptik bewußt eingesetzt?

DB: Wenn ich mir die Werbung ansehe, dann ist da ja schon wieder ein anderer Trend.Der Trash-Look der Werbung paßte hier nicht. Ich wollte es wertvoll aussehen lassen, kostbar, heilig, expressiv, und letztendlich war das die Gestaltung, die mir am besten zusagte für den Film. In den ersten Szenen fühlt sich sicher die ältere Generation angesprochen und die jüngere dann, wenn die Videoclip-Montage bei den Titeln kommt. Dadurch habe ich immer diesen Spagat, der ja letztendlich auch für eine alte Welt und eine neue Welt steht. Das ist nicht einfach so hingerotzt, sondern wir haben lange darüber nachgedacht.

BF: Hat Sie Ihre Arbeit als Werbeclipregisseur bei "Liebe Deine Nächste" dennoch beeinflußt?

DB: Timing. Timing und Ökonomie ist für mich ein wichtiges Thema. Ich sorge dafür, daß Dinge parallel passieren. Aber letztendlich hat der Film ein paar hundert Schnitte weniger als "Männerpension". Er wirkt trotzdem komprimierter, schneller. Das hat auch mit der Lichtgestaltung zu tun. Mancher sagt auch, daß die Jokes nicht mehr so im Vordergrund stehen. Damals habe ich die kleinen, skurrilen Begebenheiten mehr nach vorne geschoben. Hier ist die Haupthandlung im Vordergrund, und die Jokes passieren nebenbei.

BF: Markiert "Liebe Deine Nächste!" einen besonderen Punkt in Ihrer Entwicklung?

DB: Ich liebe Filme, die einen melodramatischen Touch haben und bei denen ich eine Gänsehaut bekomme. Das ist sicher mehr in diesem Film vorhanden als in meinen früheren Filmen.

BF: Denken Sie über die Erwartungshaltung des Publikums nach?

DB: Ich berücksichtige sie. Natürlich ist die Erwartungshaltung des Publikums ein Problem, denn das Schwierigste an dem Film ist das unmoderne Thema. Ich möchte die Kinozuschauer bekommen, die vor einer großen Auswahl stehen und sich sonst für "Armageddon" entscheiden würden. Die berücksichtige ich auch in der Filmsprache und deswegen auch die Figur des Trouble-Shooters, des Karrieristen. Ich will ja nicht nur die Leute, die sich sowieso mit etwas auseinandersetzen.

BF: Fühlen Sie sich unter Erfolgsdruck?

DB: Nein. Ich habe nur ein Verantwortungsgefühl für die Produktion, in der ein paar Leute arbeiten, die wir schätzen. Ich möchte nur unsere Unabhängigkeit hochhalten. Dafür fühle ich eine Verantwortung, und da mache ich mir Sorgen.

BF: Gibt es schon ein neues Projekt?

DB: Schon lange. Ich entwickle immer parallel Projekte. Aber ich glaube, ich rotz' mal was 'raus, was einfach so passiert. Ich möchte mich selbst überraschen. Deswegen mache ich so gern Werbung.Williams wieder auf Kurs

Detlev Buck zu 'Liebe Deine Nächste!'