Blickpunkt:Film

Kino

In einem Leserbrief beklagt [Sven Andresen](/person/sven-andresen) nicht zuletzt angesichts der Schwäche von Filmen abseits der Blockbuster, drastisch steigenden Kosten, unsicherer Energieversorgung im Winter und potenziellen neuen Corona-Auflagen eine "äußerst angespannte" Situation der Branche - und drängt auf Entlastung der Kinos durch die Verleiher. Sein Schreiben können Sie hier im Wortlaut lesen:


"Kinos könnt Ihr ewig leben?


Aus dem Therapie-Tagebuch eines Kinobetreibers


Ich kriege es glaube ich nicht mehr ganz in die richtige Reihenfolge, aber eigentlich ist es auch nicht relevant, welche Katastrophe zuerst da war. Bereits im Dezember hatte ich meine Sorgen über die steigenden Kosten ausgedrückt. Was war das noch für eine unbeschwerte Zeit, als es nur um Corona-Auflagen und drastisch steigende Energiekosten ging.


Das jüngste Gericht ist doch inzwischen längst angebrochen. Wir haben mehr Krieg in der Welt denn je, und im normalen Leben stellt man fest, dass in den vergangenen Jahren viele Entscheidungen wohl nicht so clever gefällt worden sind. Man machte sich abhängig von ausländischen Ressourcen und optimierte gleichzeitig die eigenen Exporte. Es würde schon alles immer so weiter gehen. Wachstum forever! Das allein würde locker reichen, um eine ausgewachsene Depression zu entwickeln.


Die Filmbranche war aber schon immer ein besonderes Völkchen und auch in dieser Situation muss es eine besondere Position einnehmen. Die Lage in der Branche ist eine äußerst angespannte: im Mainstream läuft vieles nicht so, wie man es erwarten würde, im Arthouse könnte man fast sagen läuft eben mal gar nichts. Nur mit dem Einsatz von Psychopharmaka kann man es erklären, dass wir es schaffen uns noch über die eigentlich drastisch schlechten Zahlen zu freuen. Wobei man natürlich erwähnen muß, dass in den letzten beiden Monaten zumindest im Mainstream dank einer so schnell wohl nicht wiederkehrenden Blockbusterdichte nahezu Vor-Pandemie-Regionen erreicht wurden, aber eben leider ausschließlich im breiten Mainstream.


Woran das liegt, ist nicht allgemeingültig zu sagen, andere Länder haben diese Probleme nicht in dieser Ausprägung. Meine feste Überzeugung ist es, dass die Menschen in diesem Jahr erst einmal auf Teufel komm raus nachholen wollen, was sie zwei Jahre nicht hatten: Feiern und Reisen. Nicht dass das Publikum undankbar wäre, kurz vor und nach Schließungen gab es doch sehr viele Unterstützungsbekundungen und -besuche. Das reicht aber in der kinoaktiven Schicht nicht für die Kinos aus. Die dringend benötigten Menschen, die fest im Leben stehen und eigentlich das Arthouse besuchen, kommen nicht, weil Sie möglicherweise Kino und Krieg für nicht vereinbar halten, aber ich glaube viel eher, dass die drastische Stigmatisierung der Innenraum-Kulturorte einfach zu oft von der Regierung befeuert worden ist und nun zu tief sitzt.


Und damit sich das nicht ändert, wird in der aktuellen Diskussion um die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes für den Herbst schon mal laut und deutlich kommuniziert: die erste Zusatzmassnahme wird gegebenenfalls die Maskenpflicht in Kulturorten sein! Vielen Dank dafür!


Ich stelle fest, die Einnahmenseite entwickelt sich nicht wie notwendig, dafür tut es auf der Ausgabenseite Schläge, dass es eine "Freude" ist. Die bereits zum Ende des letzten Jahres sich abzeichnende Steigerung der Energiekosten um 30 Prozent ist ein inzwischen zu einem Witz geworden. Stromkosten steigen unaufhörlich und alle die auf Gas zum Heizen angewiesen sind (was sehr viele Kinos betreffen dürfte) wissen mal gleich gar nicht mehr, wie es weitergeht. Zu verteuerten "Vertragspreisen" kommt nun noch die Umlage hinzu - und gleichzeitig ist noch nicht einmal sicher, ob wir im Winter überhaupt mit Gas werden heizen dürfen oder können - "Niemand hat die Absicht Kulturorte zu schliessen"...


Um das Maß voll zu machen, ist dann der Mindestlohn von zwölf Euro ab Oktober inzwischen ja auch fix. Natürlich sollen Menschen, die von Ihrem Lohn leben müssen, auch angemessen bezahlt werden. Völlig unreflektiert in den Vorgaben bleibt jedoch, dass zum Beispiel unsere Branche mit extrem vielen Schülern/Studenten arbeitet, die sich etwas Extra verdienen wollen, für die es aber nicht unbedingt um die Existenz geht.


Was bleibt mir also anderes übrig als die Preise moderat zu erhöhen? Rücklagen kann ich kaum noch einsetzen. Das ist ein echtes Vabanquespiel, denn nicht nur unsere Spielräume werden kleiner, auch das (gefühlte)...

Leserbrief: "Kinos, könnt ihr ewig leben?"