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Festival

VENEDIG Tag 7 & 8: Entdeckungen

Und weiter kann man Entdeckungen machen auf der 78. Mostra in Venedig, wo wirklich alle Aspekte des modernen Kinos abgebildet werden. "Old Henry" ist ein großartiger Western; "Freaks Out" erfindet den Superheldenfilm neu, als Jahrmarkt der Absonderlichkeiten.

Thomas Schultze09.09.2021 05:06
Ein Western, der mit den Großen mithalten kann: "Old Henry"
Ein Western, der mit den Großen mithalten kann: "Old Henry" Mostra Venezia

Nichts Besseres kann einem auf einem großen Festival passieren, als einen Lieblingsfilm zu entdecken, den man nun wirklich nicht auf der Karte hatte. "Old Henry" läuft außer Konkurrenz auf der 78. Mostra und ist das Regiedebüt eines jungen Herren mit dem klingenden Namen Potsy Ponciroli. Man wird ihn sich merken müssen. Wenn er so etwas schon als seinen ersten Film abliefert, freut man sich sehr darauf, was noch in ihm steckt. Aber klar, erst einmal ist man skeptisch: Ein Regieneuling versucht sich gleich am amerikanischsten aller amerikanischen Filmgenres, und das mit einem Projekt mit einem so wenig einladend klingenden Titel wie "Old Henry". Wenn man den Film dann gesehen hat, weiß man, warum er so heißt. Und warum der Titel ein direkter Verweis ist auf die große Überraschung ziemlich am Ende des Films, ein Geheimnis, das er so gut gehütet hat, obwohl ständig Hinweise ausgestreut wurden, dass es einem den Boden unter den Füßen wegzieht - und man den Showdown, ein ganz klassischer, brillant choreographierter Shootout, mit ganz anderen Augen erlebt. Nicht, dass diese Überraschung dringend nötig gewesen wäre. Die Handlung des Films steuert nicht darauf zu. Der Film funktioniert auch so, ist packend, spannend und einnehmend. Und holt aus einer ganz simplen Prämisse mehr heraus, als man es einem Western zutrauen würde, der mit offenkundig bescheidenen Mitteln gemacht wurde und mehr oder weniger fast ausschließlich an einer Location gedreht wurde. Das gelingt Potsy Ponciroli, weil er bekannte Versatzstücke nicht einfach variiert, sondern ganz gezielt in eine Art Dialog mit bekannteren Beiträgen des Genres setzt, besonders "Erbarmungslos" von Clint Eastwood, aber auch "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" von Andrew Dominik und "No Country for Old Men" von den Coen-Brüdern.

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