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"The Green Knight"

Mit "The Green Knight" ist David Lowery ein Ausnahmefilm gelungen, ein moderner und psychedelischer Trip in die Welt der Ritter der Tafelrunde, in dem der von Dev Patel gespielte Gawain loszieht, ein Mann zu werden. Der Film startet am Donnerstag im Verleih von Telepool. Lesen Sie hier unsere Besprechung.

Thomas Schultze27.07.2021 06:13
Dev Patel befindet sich auf dem Weg zu einem schicksalhaften Treffen mit dem "Green Knight"
Dev Patel befindet sich auf dem Weg zu einem schicksalhaften Treffen mit dem "Green Knight" Telepool

Mit "The Green Knight" ist David Lowery ein Ausnahmefilm gelungen, ein moderner und psychedelischer Trip in die Welt der Ritter der Tafelrunde, in dem der von Dev Patel gespielte Gawain loszieht, sein Schicksal zu erfüllen. Der Film startet am Donnerstag im Verleih von Telepool. Lesen Sie hier unsere Besprechung.

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Gleich zu Beginn von "The Green Knight", nachdem die Kamera zunächst eine pastorale Szene mit Gänsen und einem Ziegenbock in einem Hof beobachtet hat und sich dann durch ein Fenster in ein Haus zurückzieht, sieht man Gawain nach einer durchzechten Liebesnacht vor seiner Geliebten stolpern. Er solle aufstehen, sagt sie. Er sei noch nicht bereit, kommt die Antwort. Das ist der Film, auf einen einzigen Moment konzentriert: Ein junger Mann, der noch nicht bereit ist. Der Ritter sein will, Teil der Tafelrunde, ein Ehrenmann, wie die Legenden vor ihm, aber noch nicht bereit ist. Seinen Weg verfolgt der neue Film von David Lowery, einer der spannendsten amerikanischen Filmemacher der Gegenwart. Unterhaltsamer Mainstream steht ihm ebenso nahe wie zutiefst persönliches Kopfkino. In seiner Filmographie findet sich das Disney-Family-Entertainment "Elliot, der Drache" ebenso wie das existenzialistische Rätselspiel "A Ghost Story". Immer wieder aufs Neue verblüfft er mit einer Themenauswahl, die förmlich Haken zu schlagen scheint.

Jetzt hat er seiner romantischen Gangsterhommage "Ein Gauner & Gentleman" mit Robert Redford die Adaption einer mittelenglischen Ritterromanze aus dem 15. Jahrhundert folgen lassen, ein Stoff, der förmlich nach großem Effektkino zu schreien scheint, den Lowery aber als Reise ins Ich umsetzt, als Fantasyfilm, der visuell prächtig geraten ist, aber entschleunigt und kopflastig allen Oberflächenreizen trotzt. Der Grüne Ritter fordert am Hofe Artus' zu Weihnachten einen Kontrahenten zu einem Spiel heraus, bei dem er ihn mit einem Streich niederstrecken soll, damit aber das eigene Schicksal vorbestimmt, weil in einem Jahr Gleiches mit Gleichem vergolten werden soll, wenn man sich in der grünen Kapelle wiedertrifft. Gawain köpft den grünen Ritter mit einem Hieb und lebt fortan in Furcht vor dem Tag, an dem sich sein Schicksal erfüllen soll. Auf dem beschwerlichen Weg zur Konfrontation mit seiner Nemesis wird der junge Mann auf schwere Proben gestellt, von Wegelagerern ausgeplündert und zum Sterben zurückgelassen. In einer von mehreren Kreisfahrten der Kamera wirft der Film einen Blick in die Zukunft und zeigt Gawains Gebeine, nur um die Zeit in einer umgedrehten Kamerafahrt wieder zurückzudrehen. Ein Fuchs schließt sich als Wegbegleiter an, Gawain begegnet wohlwollenden Riesinnen, sieht sich in Spiegeln auf den Kopf gestellt und muss schließlich am Hof eines Edelmannes den Avancen der Dame des Hauses widerstehen.

Was eine klassische Heldenreise sein könnte mit einem Protagonisten, der an den Aufgaben wächst, ist das Porträt eines jungen Mannes, der nicht über seinen Schatten springen kann, an den Erwartungen scheitert, mit seinen Makeln und Ängsten hadert. Was das erneute Zusammentreffen mit dem Grünen Ritter zu einer buchstäblich finalen Prüfung macht. Von David Lowery in einem genialen Kniff besetzt, ist Dev Patel brillant als der an sich selbst zweifelnde und verzweifelnde Gawain, in einer unerwarteten, beherzten, kernigen Darstellung, wie sie der ehemalige Lauch aus "Slumdog Millionär" zuletzt in Michael Winterbottoms "The Wedding Guest" bereits angedeutet hat: Er ist dabei ein ganz moderner Anwärter auf die Tafelrunde, ein bisschen wie James Dean in "Jenseits von Eden", einer, der sich nirgendwo verstanden fühlt und nicht weiß, wo er hingehört. Unterstützt wird er von einer ganzen Riege klingender Namen wie Alicia Vikander, Joel Edgerton oder Sean Harris. Doch Patel allein trägt die Last des Films, den Lowery ganz nah an der 700 Jahre alten Gedichtvorlage inszeniert hat, aber doch in einer durch und durch filmischen Welt spielen, ein psychedelischer "Excalibur" im Schneckentempo, aber mit einem rauschhaften Sog, der den Zuschauer hellwach und alert und stets bereit sein lässt.

Thomas Schultze

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