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Festival

BERLINALE Tag 6: Hallo? Wettbewerb?

Es wird nicht nur über Netflix gestritten oder über die Zukunft nachgedacht auf der Berlinale. Es gibt auch immer noch einen Wettbewerb, der am sechsten Tag zwei denkbar unterschiedliche Filme auf Bären-Jagd schickte.

Thomas Schultze13.02.2019 10:18
"La paranza dei Bambini" feierte eine rauschende Premiere auf der Berlinale
"La paranza dei Bambini" feierte eine rauschende Premiere auf der Berlinale Prokino / Kurt Krieger

Während sich die Debatte um Netflix oder nicht auf der Berlinale in den Vordergrund gedrängt hat, und man über die Hintergründe räsonniert, was tatsächlich zur Absgae von Zhang Yimous Wettbewerbsfilm "One Second" geführt hat, läuft am Rand der Verantstaltung, man will es gar nicht glauben, auch noch der Wettbewerb weiter, um den es etwas ruhig geworden ist. Zum Auftakt der zweiten Hälfte des Festival meldete er sich jedenfalls mit zwei Filmen zurück, die kaum unterschiedlicher sein könnten und am jeweils anderen Ende des Kinospektrums angesiedelt sind: das fordernde, verrätselnde und statische Abstrakt-Statement von Angela Schanelecs "Ich war zuhause, aber..." auf der einen Seite, das propulsive Genrekino von Claudio Giovannesis "La paranza dei Bambini" auf der anderen. Der Film über kriminelle Jugendliche auf den Straßen von Neapel, die an den Stühlen der angestammten Granden des organisierten Verbrechens im Süden Italiens sägen, hatte jedenfalls genügend Energie und Punch, um einen wieder wach zu machen. Wie die Jungs auf ihren Rollern buchstäblich wie Piranhas (wie tatsächlich der englische Verleihtitel lautet) durch die engen Gassen brettern, als seien die Mods aus "Quadrophenia" eine paramilitärische Einheit, ist eines der starken Bilder der diesjährigen Berlinale. Basierend auf einer Vorlage von Roberto Saviano, der es mit seinem Camorro-Tell-It-All "Gomorrha" zu Weltruhm gebracht hat, funktioniert der Film von Claudio Giovannese auch tatsächlich am besten als Fußnote von "Gomorrha" und der nachfolgenden Serie, eine neue Vignette, die zwar in der Serie in der zweiten Staffel angerissen wird, aber hier tatsächlich 15-Jährigen zuzusehen, wie sie der hohlen Gangsterromantik verfallen, dann aber auch noch weniger Skrupel haben, ihre Gegner auszuschalten, schiebt die insgesamt doch bekannt scheinende Handlung beträchtlich an. In diesem Zusammenspiel zwischen kindlicher Unschuld und brutaler Härte entfaltet der Film einen ganz eigenen Reiz, was einen gebannt zusehen lässt, wie der Junge Nicola damit umgeht, mit einem Mal der Don seines Viertels zu sein, der seinen Reichtum niemals auskosten kann, weil man nicht weiß, wer einem hinter der nächsten Ecke womöglich nach dem Leben trachtet.

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