Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Man könnte glauben, Sie hätten die Kommunen-Zeit wirklich erlebt.


Lukas Moodysson: Das liegt nicht zuletzt an der sorgfältigen Auswahl von Ausstattung und Kostümen. Ich bin zwar erst 1969 geboren, aber diese Ära hat mich schon als Kind beeinflusst. In der Schule gab es Mitschüler aus einer Kommune. Ich habe immer deren wundersamen Erzählungen gelauscht. Ich finde die siebziger Jahre auch im Nachhinein noch aufregend. Dieser Aufbruch aus dem bürgerlichen Mief, dieses Lebensgefühl von endloser Freiheit, die vitale Lust auf Veränderung und Erneuerung. Heute machen wir uns viel weniger Gedanken darüber, ob es richtig ist, wie wir leben, spielen moralische Gesichtspunkte kaum noch eine Rolle.


BF: Sie arbeiten mit einem fast dokumentarischen Stil.


LM: Mich interessieren weniger technische Mätzchen oder das Ausprobieren einer innovativen und experimentellen Filmsprache als eine überzeugende Handlung und glaubwürdige Charaktere. Mir kam es auf den natürlichen Look an. Deshalb habe ich auf zu viel Technik, Lampen und künstliches Licht verzichtet, auf 35 Millimeter mit empfindlichem Material gedreht und das mit einer Blende forciert. Die Schauspieler sollten sich unbefangen bewegen und auch mal improvisieren können, nicht ständig auf die Kamera achten. Wenn man jede Einstellung diskutieren muss, nimmt das jegliche Spontaneität.


BF: Sie haben erst literarisch gearbeitet. Was reizt Sie am Filmemachen?


LM: Film ist für mich eine fantastische Kunstform, bei der ich Unterhaltung mit Ernsthaftigkeit und einem sehr persönlichen Blick auf eine Geschichte kombinieren kann. Leider sind die meisten europäischen Filme nur ernsthaft und die meisten amerikanischen nur unterhaltend. Man müsste die beiden Elemente verbinden. Was nützt der honorigste Anspruch, wenn das Resultat gähnende Langeweile ist und keiner zuguckt?


BF: Auf welche Produktionsphase konzentrieren Sie sich besonders?


LM: Auf das Schreiben. Ich investiere sehr viel Kraft in das Drehbuch. Da habe ich Zeit zum Nachdenken. Obgleich ich sehr präzise bis in die Dialoge hinein formuliere, lasse ich auch Änderungen durch die Schauspieler zu. Regie halte ich nicht für den kreativsten Teil. Da zählt es, im Kollektiv gut zusammenzuarbeiten und sich nach der Einsamkeit im Autorenstübchen mal so richtig auszutoben.


BF: Könnten Sie sich eine Karriere außerhalb Schwedens vorstellen?


LM: Warum nicht mal ein oder zwei Filme im Ausland drehen? Aber der Traum von Hollywood verfolgt mich nicht. Ich bin in Kopf und Herz ein sehr schwedischer Regisseur, lasse mich durch meine Umgebung inspirieren. Bei "Raus aus Amal" war ich völlig überrascht ob der internationalen Resonanz. Damit meine Filme auch weiterhin außerhalb Schwedens funktionieren, werde ich universelle Themen aufgreifen. Das heißt aber nicht, dass ich mich verbiegen lasse. Ich möchte nahe an mir selbst bleiben, sonst fällt mir auch nichts mehr ein.


BF: Womit hatten Sie am meisten zu kämpfen?


LM: An der Finanzierung hapert es oft. Niemand gibt einem Newcomer Vertrauensvorschuss. Ich hatte das Glück, von Anfang an mit einem Produzenten zu arbeiten, der an mich glaubte und alles in Bewegung setzte, um das Geld für meinen Erstling zusammenzukratzen. Dabei lag das Budget unter einer Mio. Dollar. Bei "!Zusammen!" mit nicht ganz zwei Mio. Dollar war die Finanzierung weniger kompliziert. Es wimmelt auf der Welt von Opportunisten. Nach einem erfolgreichen Film hat man plötzlich viele unbekannte Freunde, die mit auf den Zug mitaufspringen.


BF: "!Zusammen!" ist eine Koproduktion mit Zentropa.


LM: Lars Jönsson von Memfis Film arbeitet immer mit Zentropa zusammen, er koproduziert auch  Filme. Die Kooperation beschränkt sich aber auf die Produktionsebene. Wir benutzen die gleiche Technik, die gleichen Kameras.

Lukas Moodysson zu "!Zusammen!'