Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Sie haben als künstlerischer Leiter des Royal Court, des erfolgreichsten Theaters in England, über 100 neue Stücke produziert und inszeniert. Was hatte Sie daran gereizt, das Medium zu wechseln?

Stephen Daldry: Ich wünschte, ich hätte eine gute Antwort darauf - habe ich aber nicht. Es war interessant für mich, es hat sich ergeben, warum hätte ich es nicht tun sollen? Ich hatte 1998 den Kurzfilm "Eight" gemacht, der für mich auch eine Fingerübung war, was die technische Seite des Filmemachens angeht. Danach habe ich nach einem neuen Projekt gesucht, das Drehbuch von "Billy Elliott" wurde mir angeboten und die Produktionsfirma Working Title und ich haben sofort zugegriffen.

BF: Was hat Sie an dieser Geschichte besonders angesprochen?

SD: Sie feiert den menschlichen Geist, seinen unbändigen Willen. Und mir gefiel die Idee, ein Stück zu machen, das emotional wahr ist, das nicht ironisch ist - denn davon habe ich die Nase voll. Es war hauptsächlich der emotionale Rhythmus, der mich angezogen hat.

BF: Sie haben einen First-Look-Deal mit Working Title. Wie war die Zusammenarbeit, hatten Sie freie Hand?

SD: Ja. Wir hatten leider nur nicht viel Geld. Der Film kostete nur 2,9 Mio. Pfund.

BF: Konnten Sie dadurch bestimmte Dinge nicht verwirklichen?

SD: Ja. Wir hatten Szenen, die wir uns nicht leisten konnten, und vor allem mussten wir immer hetzen. Es war schwierig, weil wir viel Geld für das Casting und die Proben ausgegeben hatten und man außerdem mit Kindern nicht so viele Stunden pro Tag drehen kann. Ich hatte auch eine sehr genaue Vorstellung von der Musik, aber auch da mussten wir aus Kostengründen leichte Abstriche machen.

BF: Sind Sie jetzt trotzdem zufrieden mit dem Film?

SD: Es ist für mich eine freudige Überraschung, dass es so gut aufgeht. Wenn man sich als Theaterregisseur sein Stück an einem beliebigen Abend ansieht und nicht zufrieden ist, hat man am nächsten Abend eine neue Chance. Das ist natürlich bei einem Film anders, da sieht man sich immer wieder seine Fehler an.

BF: Was ist für Sie der Hauptunterschied zwischen der Arbeit am Theater und an einem Film?

SD: Das eine hat mit dem anderen wenig, fast nichts, zu tun.

BF: Was war die größte Herausforderung?

SD: Der Tanz. Wir mussten monatelang proben - schon das ist ungewöhnlich bei einem Film - und mittendrin die Dreharbeiten abbrechen, damit Jamie Bell einen weiteren Tanz lernen konnte. Es dauert sehr lange, die Choreografie eines Tanzes zu entwickeln, dann musste er auf Video aufgenommen und geschnitten werden, damit man weiß, wo die Schnitte im Film sein sollen, und erst dann konnte man ihn wirklich drehen. Das ist ein sehr langer Prozess. Dazu kam, dass diese Tänze das Gefühl vermitteln sollen, dass sie wirklich von dem Jungen kommen.

BF: Sie waren mit "Billy Elliott" auf verschiedenen Festivals, u.a. in  und . Was für eine Erfahrung war das?

SD: Festivals scheinen, soweit ich das jetzt schon beurteilen kann, eine wichtige Plattform für Filme dieser Größenordnung zu sein. Als wir nach Cannes gingen, war der Film gerade fertig gestellt. Es war eine absolute Überraschung für uns, dass das Publikum so positiv reagiert hat. Das war wunderbar, und damals bekam ich eine erste Ahnung, dass jeder diesen Film mögen könnte.

BF: Woran werden Sie als Nächstes arbeiten?

SD: Ich inszeniere ein Stück am Royal Court Theatre, Ende November haben wir Premiere. Im nächsten Jahr werde ich auch wieder einen Film machen.

BF: Fühlen Sie sich unter Druck, weil der Film so erfolgreich war?

SD: Wenn mein nächster Film ein Flop wird, wird der Druck beim dritten Film steigen. Wenn der nächste Film ein Erfolg wird, dann wird genauso mehr Druck auf dem dritten lasten. Es gibt immer Druck.

Stephen Daldry zu "Billy Elliott - I Will Dance'