Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wie wichtig ist es Ihnen, in Ihren Filmen eine Botschaft unterzubringen?

Jon Turteltaub: Man muss unterscheiden zwischen Botschaften und Inhalten. Botschaften sind gefährlich, weil sich in ihnen das für eine Story wichtige Drama selten finden lässt. Inhalte sind wichtig. Inhalte sind Drama. Ich kann keinen Film drehen, dessen Thema mich nicht stark anspricht, muss wissen, worum es entweder intellektuell oder emotional geht. Wenn ich 60 Mio. Dollar und ein Jahr meines Lebens investiere, muss etwas dahinterstecken.

BF: Was steckte hinter "The Kid", dass Sie den Film unbedingt machen wollten? ?

JT: Die Fragen sind wichtig, nicht die Antworten: Würde ich als Kind mit dem zufrieden sein, was ich aus meinem Leben gemacht habe? Jeder Einzelne muss seine eigene Antwort finden. Es geht auch darum, wie viel man im Leben besitzen muss, bevor es genug ist. "The Kid" ist sicher nicht der erste Film, der diese Frage stellt. Aber ich fand, er stellt sie auf eine sehr interessante Art und Weise.

BF: Ertappten Sie sich während des Drehs bei Selbstzweifeln, einen Film zu drehen, der sagt, dass das Leben ohne Reichtum und Besitz wertvoller ist, während sie gleichzeitig um die 50 Mio. Dollar für diese Aussage ausgeben? ?

JT: Ich glaube nicht, dass Reichtum und Berühmtheit glücklich machen. Um dieses Statement zu machen, gebe ich Geld für diesen Film aus. Das heißt aber nicht, dass man nicht Geld verdienen sollte. Daran ist nichts falsch. Ich wäre ein Heuchler, wenn ich das Gegenteil behaupten würde. Mit Geld sind viele Dinge im Leben einfacher. Aber Geld ist nicht alles. Es wäre sicher gelogen von Hollywood, dass es schöner ist, arm zu sein. Ich glaube aber, dass Armut durchaus Einblicke ermöglicht, die wohlhabende Menschen nicht haben, weil Reichtum blind machen kann.

BF: Sie haben sich einen Namen gemacht mit Filmen, die dem Publikum ein gutes Gefühl geben. Fühlen Sie sich unter Druck gesetzt, diesem Anspruch mit jedem neuen Film gerecht zu werden? ?

JT: Quentin Tarantino werden sicherlich andere Drehbücher zugeschickt als mir. Die Studios wollen, dass ein Film von Jon Turteltaub immer ein Publikumsfilm ist: unterhaltsam, liebenswert und erfolgreich. Aber ganz ehrlich: Wenn man ein Drehbuch gefunden hat, das man verfilmen will, dann macht man sich über nichts weniger Gedanken als das: Man will einfach nur, dass die Story funktioniert. Und die kreativen Zweifel sind auch nicht geringer als bei einem künstlerischen Meisterwerk.

BF: Sie haben also kein Problem, als Main-stream-Regisseur identifiziert zu werden? ?

JT: Jeder Film sollte gemacht werden, um von einem möglichst großen Publikum gemocht zu werden. Ein Publikum findet sich schließlich zusammen, um deinen Film zu sehen. Da sollte man sich auch Mühe geben, dass man das Publikum anspricht und berührt. Wer sein Publikum nicht begeistern will, sollte auch keinen Film drehen.

BF: Haben Sie Ihre Produktionsfirma mit Christina Steinberg gegründet, um sicher zu gehen, dass Ihre Filme so werden, wie Sie sich das vorstellen? ?

JT: Es fällt mir sicherlich leichter als in Zeiten von "Cool Runnings". "The Kid" ist beispielsweise ein Stoff, der von uns entwickelt wurde. Der Nachteil ist, dass das enorm viel Zeit in Anspruch nimmt.

BF: Sie haben mit der Arbeit an "The Kid" noch vor "Instinkt" begonnen. ?

JT: Den hatte ich von Wolfgang Petersen übernommen, der lieber "Air Force One" drehte. Eine kluge Entscheidung. Die Idee ist sehr faszinierend, aber der Film hat seine Probleme - obwohl ich dennoch auf vieles sehr stolz bin.

BF: Man könnte "The Kid" als eine publikumsfreundlichere Neubearbeitung des Stoffes interpretieren. Eine bewusste Entscheidung? ?

JT: Das ist richtig beobachtet. Es gibt viele Parallelen, vor allem zwischen den Hauptfiguren. Ich fand es schade, dass ein so faszinierendes Thema von so wenigen Menschen gesehen wurde. Deshalb fühlte ich mich wohl von "The Kid" so stark angesprochen.

BF: Sie bereiten eine Reihe von Stoffen mit Jerry Bruckheimer vor, dessen filmische Sensibilität so überhaupt nicht mit Ihrer korrespondieren will. ?

JB: Stimmt, Jerry ist an Oberfläche, Stil und Aussehen interessiert, während mich Emotionen und Inhalte ansprechen. Aber vielleicht sind wir genau deshalb ein gutes Team. Und eines ist sicher: Wenn Jerry Bruckheimer hinter einem Film steht, dann stimmt das Marketing von vorne bis hinten. Wir arbeiten seit zwei Jahren an "National Treasure", einer verrückten Schatzsuche, aber das Drehbuch ist noch immer nicht perfekt. Und dann habe ich einen neuen Stoff gelesen, "Black Sheep", der mir gut gefällt.

BF: Werden Sie Ihren neuen Film noch vor dem Streik im Mai 2001 drehen? ?

JT: Hoffentlich. Aber ich glaube nicht, dass es zu diesem Streik kommen wird.

Regisseur Jon Turteltaub zu "The Kid'