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Zum Jahresauftakt Action in den deutschen Kinos: Endlich ist der 2017 auf dem Markt in Cannes erstmals angekündigte "[The 355](/movie/the-355)" u. a. mit [Jessica Chastain](/person/jessica-chastain) und [Diane Kruger](/person/diane-kruger) über einen Trupp weiblicher Agentinnen startklar. Hier unsere Besprechung...


Nichts, was man in "The 355" zu sehen bekommt, hat man nicht schon einmal woanders gesehen. Und doch ist alles auf sehr unterhaltsame Weise anders in diesem Versuch, ein Team weiblicher Agenten als potenzielle Franchise-Marke in Stellung zu bringen. Natürlich schimmert da ein bisschen "Charlie's Angels" durch, erkennt man Grundzüge der Deadly Assassination Viper Squad, fühlt man sich erinnert an "[Salt](/movie/salt_8)" und "[La Femme Nikita](/movie/nikita)" und "[Atomic Blonde](/movie/atomic-blonde)" und alle anderen handfesten Heldinnen des Actionkinos, von Ilsa Faust über Imperator Furiosa hin zur Titelheldin von "[Code Ava: Trained to Kill](/movie/ava_6)" aus dem Jahr 2020, in dem Jessica Chastain bereits unter Beweis stellen konnte, dass sie mit Schusswaffen allen erdenklichen Kalibers umzugehen versteht und dabei immer eine gute Figur abgibt.


Von ihr stammt auch die Idee zu "The 355", die dann von [Simon Kinberg](/person/simon-kinberg), ihrem Mitstreiter bei einer Reihe von "X-Men"-Filmen, ausgearbeitet wurde. Der Clou besteht darin, eine internationale Gruppe überbegabter Frauen auf die Beine zu stellen, ein unabhängig von den großen Spionage-Organisationen operierender, schlagkräftiger Einsatztrupp, dessen Mitglieder über jeweils ganz eigene Talente verfügen: die Amerikanerin Mace - eine begnadete Strategin; die Deutsche Marie, gespielt von Diane Kruger - eine eiskalte Killerin; die Britin Kadijah, gespielt von [Lupita Nyong'o](/person/lupita-nyongo) - eine coole Computer-Expertin; die Kolumbianerin Graciela, gespielt von [Penélope Cruz](/person/penelope-cruz) - eine mütterliche Psychotherapeutin und die gute Seele. Wie sie zueinander finden, davon erzählt der Film in guter Bond-Manier, globetrottend von Paris über Marrakesch bis Schanghai, immer auf der Jagd nach einem klassischen McGuffin, ­einer Festplatte mit einem Datenschlüssel, mit dessen Hilfe sich jedes Computernetz hijacken lässt, und deshalb natürlich brandgefährlich und von Interesse für jeden fiesen Möchtegernbösewicht mit megalomanischen Absichten.


Natürlich sieht man die Absicht der Macher, dass diese Origin-Story idealerweise nur ein Auftakt sein soll für weitere Einsätze der »355« - so benannt nach einer legendären und bis heute nicht enttarnten Spionin, deren Leistungen zur Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika unter Washington beitrugen. Aber selbst, wenn es beim Standalone-Film bleiben sollte, werden Fans des Genres auf Augenhöhe bedient. Bisweilen sieht man den Actionszenen an, dass die Produktion mit dem Budget haushalten musste - aber nie so, dass man nicht bereitwillig mitgeht, wenn die vier Damen, stets beobachtet von einer mysteriösen Chinesin, gespielt von Bingbing Fan, zunächst gegeneinander arbeiten und, je mehr klar wird, dass sie ihren jeweiligen Organisationen nicht trauen können, zunehmend einen gemeinsamen Groove finden. Die eigentliche Attraktion des Films sind seine Hauptdarstellerinnen, die einem mit jeder neuen Handlungswendung mehr ans Herz wachsen, zumal Kinberg - der ein besserer Autor als Regisseur ist - Wege findet, aus den anfänglich eindimensionalen Figuren Frauen aus Fleisch und Blut zu machen.


Thomas Schultze

"The 355" mit Jessica Chastain