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Was passiert mit Cannes?

In einem Interview mit Screen International hat Thierry Frémaux spezifiziert, wie ein Festival de Cannes einen Eindruck im Kinojahr 2020 hinterlassen kann, auch wenn das Filmfestival vor Ort selbst abgesagt werden musste. Erstmals nennt er auch Titel, die für die diesjährige Ausgabe gewählt worden wären.

Thomas Schultze10.05.2020 08:50
"Benedetta" von Paul Verhoeven könnte ein Fall für Cannes 2021 sein
"Benedetta" von Paul Verhoeven könnte ein Fall für Cannes 2021 sein Pathé Films

In einem Interview mit Screen International hat Thierry Frémaux spezifiziert, wie ein Festival de Cannes einen Eindruck im Kinojahr 2020 hinterlassen kann, auch wenn das Filmfestival vor Ort selbst abgesagt werden musste. Der künstlerische Leiter des größten Filmfestivals der Welt will im Juni eine Liste von Filmen bekanntgeben, die Teil seiner Sélection officielle gewesen wären, allerdings nicht aufgeteilt nach Wettbewerb, Un Certain Regard und außer Konkurrenz. Voraussetzung ist indes, dass diese Titel zwischen Mai 2020 und Frühjahr 2021 tatsächlich auch im Kino ausgewertet werden. Nicht in Frage kommen Filme, die nun ausschließlich die Auswertung bei einem Streamer anstreben, oder die ihren Kinostarttermin jetzt schon außerhalb des genannten Zeitraums gelegt haben. Das trifft beispielsweise auf Paul Verhoevens hoch für Cannes 2020 gehandelten Nonnenfilm "Benedetta" zu, der gerade erst Mai 2021 als seinen neuen Kinostarttermin festgelegt hat und damit wohl auch im nächstjährigen Cannes-Wettbewerb vertreten sein wird.

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"Tief in unseren Herzen wollen wir die Filme unterstützen, die wir gesehen und in die wir uns verliebt haben", erklärt Frémaux in Screen International. "Uns lagen Filme aus der ganzen Welt vor, wunderbare Arbeiten, und es ist unsere Pflicht, ihnen dabei zu helfen, ein Publikum zu finden. Wenn wir die Liste bekannt gegeben haben, ist es unser Ziel, entsprechende Event in den Kinos zu organisieren." Frémaux betont auch, dass ihm die Solidarität anderer Festival viel bedeute. Er könne sich nach wie vor vorstellen, im Rahmen der Mostra in Venedig eine Reihe seiner Titel aus der Sélection officielle zu zeigen. Aber auch Toronto, Busan, Deauville, New York oder San Sebastian sowie sein eigenes Lumière-Festival in Lyon nennt er als Orte, in denen Cannes eine Rolle spielen könnte. Insgesamt seien 1500 Filme von ihm und seinem Team gesichtet worden. Zum Zeitpunkt des Lockdowns seien erst 20 Prozent der Filme für Cannes ausgewählt worden. Nur ein Produzent hätte seinen Film zu diesem Zeitpunkt zurückgezogen, um ihn lieber Venedig anzubieten. "Das ist in Ordnung, wir hätten ihn ohnehin nicht genommen", sagt Frémaux.

Der Festivalchef hofft, den für dieses Jahr ausgewählten Jury-Präsidenten Spike Lee im nächsten Jahr in diesem Amt willkommen heißen zu können. Sein neuer Film, "Da 5 Bloods", wird es dann allerdings nicht zu sehen geben. Er wäre 2020 außer Konkurrenz gezeigt worden - und hätte damit Netflix zurück nach Cannes gebracht. Jetzt wird Netflix Lees ersten Film seit seinem Cannes-Comeback "BlacKkKlansman" bereits im Juni ohne vorherige Festivalteilnahme auswerten. Weitere Filme, die in Cannes gezeigt hätten werden sollen, benennt Frémaux außerdem: "The French Dispatch" von Wes Anderson (der wohl der Eröffnungsfilm gewesen wäre), "Tre piani" von Nanni Moretti und "Soul" von Pete Docter. Ob sie nun auf anderen Festivals Premiere feiern werden ist ungewiss. Allerdings würde sich in ihrem Fall Venedig anbieten.

Ursprünglich hätte die 73. Edition des Festival de Cannes vom 12. bis 23. Mai stattfinden sollen. Startschuss wäre der kommende Dienstag gewesen.

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