Blickpunkt:Film

Produktion

Heute startet in den deutschen Kinos ["Die Känguru-Chroniken"](/movie/die-kaenguru-chroniken), [Dani Levys](/person/dani-levy) Verfilmung der populären Vorlage von [Marc-Uwe Kling](/person/marc-uwe-kling). Wir sprachen mit dem Filmemacher über die Besonderheiten bei der Arbeit an dem ungewöhnlichen Family-Entertainment-Film.


Mit "Die Känguru-Chroniken" gehen Sie filmisch einen völlig neuen Weg. Natürlich waren Sie sich der Herausforderung bewusst, mit Motion-Capture zu drehen und eine entsprechend längere Zeit in der Postproduktion zu sein. Aber wie haben Sie diese Arbeit erlebt?


DANI LEVY: Mein Elixier ist das Gefühl, dass ich etwas nicht kenne und erstmals ausprobiere. Ich mag nichts weniger als etwas, von dem ich weiß, dass ich es kann. Das gibt mir keinen Kick. Ich muss Dinge probieren. Ich probiere Theater, weil ich es vorher noch nicht gemacht habe. Ich probiere 3D-VR, um zu sehen, was dabei herauskommt. Eines der wichtigen Motive, "Die Känguru-Chroniken" zu machen, war es zu sagen: Ich mache einen Film, von dem ich eigentlich keine Ahnung habe, wie man ihn macht. Sowohl von seiner filmischen Ausstrahlung wie auch von der Technik. Darauf habe ich mich unheimlich gefreut.


Warum?


DANI LEVY: Ich dachte, ich würde mit diesen Computeranimations-Nerds nur Streit haben, es würde nur Missverständnisse geben, es würde ein ganz schrecklicher Weg. Ich wurde total positiv überrascht, wie toll Trixter die Animation umgesetzt hat. Ich hatte größten Respekt davor, einen Character aus dem Nichts kreieren zu müssen. Bei jedem Schauspieler, selbst wenn er nicht so toll ist oder keinen guten Tag hat, hast du einen Menschen vor dir. Du kannst dich austauschen. Beim Känguru hast du nichts. Es gibt keinen Blick, es gibt keine Haltung, es gibt keine Reaktion. Es gibt erst einmal nichts. Du musst alles erschaffen. In der Bewegung, im Moment, es muss reagieren, es muss im richtigen Timing reagieren. Es muss eine Figur werden, die einen berührt, die einen überrascht, provoziert, die eine Haltung, eine Frechheit hat. Das Känguru unseres Films sollte ja auch nicht nur ein nettes Kuscheltierchen werden, wir haben es uns vorgestellt als Kumpel. Und ja, es sollte auch anstrengend und nervig sein. Vor diesem Prozess hatte ich wirklich Respekt. Aber es ist besser gegangen, als ich gedacht hätte, obwohl es eine Megaarbeit war.


Wie sind Sie vorgegangen?


DANI LEVY: Ich habe gemerkt: Rein verbal funktioniert die Kommunikation zwischen mir und den Animatoren - und das waren zeitweise bis zu 80 Leute, die nur mit dem Känguru beschäftigt waren - nicht richtig. Wenn ich sagte, dass ich mir das Känguru an dieser oder jener Stelle etwas ironischer oder neckischer vorstellte, dann konnten sie nichts damit anfangen. Wir haben uns schnell darauf geeinigt, dass wir eine Art Alphabet brauchten, gemeinsam eine neue Sprache lernen mussten. Also haben wir »Facials« erstellt, unterschiedlichste Gesichtsausdrücke, insgesamt 50 Stück. Die hatte ich immer auf dem Rechner bei mir, und ich konnte sagen: Hier stelle ich mir Gesicht 32 vor und direkt danach 42. Damit konnten die Animatoren arbeiten, sie mussten meine Anweisungen nicht interpretieren, sondern konnten sie einfach umsetzen. Wir haben es uns auch nicht einfach gemacht wegen des Stils des Films, der ungewöhnlich und für Animation gänzlich ungeeignet ist. Wir haben mit zwei Kameras gedreht, viel mit Handkamera, wir haben improvisiert. Und wir haben das Känguru behandelt wie eine normale Figur: verdeckt, hinter Haaren... Wir haben alles gemacht, was böse ist. Jan Stoltz von Trixter war mit am Set und wies uns auf besonders problematische Shots hin. Wenn wir konnten, haben wir darauf reagiert. Aber im Großen und Ganzen haben wir einen CGI-Film gedreht, ohne die gängigen Regeln für CGI-Filme einzuhalten. Das macht unter anderem den Zauber des Films aus.


Von Wes Anderson geht die Sage, er habe seine Animatoren bei ["Der fantastische Mr Fox"](/movie/der-fantastische-mr-fox) in den Wahnsinn getrieben, weil er sich als Novize nicht an die Regeln der Stopmotion halten wollte.


DANI LEVY: Meinen Animatoren ging es nicht so, ich habe ja nicht gegen sie gearbeitet. Wir standen in ständigem Austausch und haben immer abgesprochen, was als nächstes passiert. Sie waren im Gegenteil begeistert von der Herausforderung, die aus der Art unseres Drehs entstand. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir nicht Motion-Cameras und Motion-Control arbeiten wollten. Wir wollten es so rau drehen, wie es möglich war, haben auch keine ganz scharfen Objektive genommen, sondern Prime-Lenses, die eher für ein Vintage-Bild sorgen, was auch ein Problem für die Animatoren darstellt, weil sie ihre scharfe Animation immer etwas heruntergraden müssen. Es war eine schöne Arbeit, und Trixter hat sich mit großer Leidenschaft auf seine Aufgabe gestürzt.


Inwiefern haben Sie anerkannt, einen Familienfilm zu drehen?


DANI LEVY: Wir haben viele Witze und anarchistische Ideen wieder herausgeschmissen, manchmal sogar erst im Schnitt, weil wir gemerkt haben, dass wir vorsichtig sein mussten, nicht auf einer Metaebene zu erwachsen zu werden. Wir durften nicht zu wild mit Chronologie spielen und es auch nicht übertreiben mit Anspielungen und Verweisen. Die Aufgabe von Marc-Uwe Kling und mir bestand darin, dass wir wussten: Wir haben ein breites Publikum, nicht nur altersmäßig sondern auch sozial sehr breit aufgestellt, das wir gerne glücklich machen wollen. Das beginnt, was ein sehr wichtiges Elixier war, mit meinem Sohn, der mittlerweile 13 ist, aber zehn Jahre alt war, als ich mit "Die Känguru-Chroniken" begonnen habe. Er ist riesiger "Känguru"-Fan, und ich wusste, dass ich ihn nicht enttäuschen durfte. Ich wollte auf keinen Fall einen Film machen, der an ihm vorbeigeht. Auf der anderen Seite gibt es ein erwachsenes Publikum, für das der Film auch sein sollte. Wir mussten einen Mittelweg finden, einen Mainstreamfilm machen, ohne den Anspruch zu verlieren.


Eine so enge kreative Partnerschaft wie mit Marc-Uwe Kling bei "Die Känguru-Chroniken" hatten Sie zuvor aber auch noch nicht...


DANI LEVY: Ich habe mit Maria Schrader sehr eng gearbeitet, davor auch schon mit Anja Franke. Jemand, der nicht meine Frau ist und nicht mit mir in einem Bett schläft, jemand, der Urheber eines Kosmos ist, der mich allenfalls toleriert, aber niemals Koautor sein lässt, als kreativen Weggefährten zu haben, das war neu für mich. Wir haben einen ähnlichen Geschmack und stellten auch schnell fest, dass wir ähnlich ticken. Und zum Glück haben wir uns auch das Känguru ähnlich vorgestellt und waren mit der Besetzung einig. Da gibt es viele Entscheidungen, die man gemeinsam treffen muss, weil man beschlossen hat, genau diesen einen Film zu machen. Da haben wir uns gut verstanden. Als Hüter seiner Sprache und seines Universums hat er eine klare Dominanz gehabt, was das Drehbuch betraf. Das wollte und konnte er nicht abgeben. Unter diese Prämisse bin ich auch gestiegen. Ich wusste, da ist ein Autor, der tritt nicht zurück. Er wollte den Film maßgeblich mit begleiten. Er wollte sicherstellen, dass seine Marke so auf die Leinwand kommt, dass er dahinterstehen kann.


Damit kamen Sie zurecht?


DANI LEVY: Für mich war es eine Umgewöhnung. Ich komme aus dem Autorenfilm, habe bislang immer ausschließlich meine eigenen Stoffe nach eigenen Drehbüchern verfilmt. Da hat auch nie jemand relevant reingeredet. Sich jetzt mit jemandem Anderem in einem anderen Geruch zusammenzutun, war auch ein Prozess. Ich musste mich erst mit der Situation anfreunden. Es dauerte aber eine Weile, bis ich sagen konnte: Es ist seine Welt, er kennt sie besser als ich. Für mich ist er eine Art Koscherstempel. Er garantiert für mich und uns alle, dass wir der Marke treu bleiben. Das ist ein ganz wichtiges Element.


Unverkennbar ist Klings Stimme und Sprache. Genauso unverkennbar ist aber auch Ihre Handschrift als Filmemacher.


DANI LEVY: Gerade das hat mich gereizt, mich in der Welt eines Anderen zurechtzufinden. Ein bisschen lebe ich sonst schon in meiner Blase. Dabei ist das doch auch immer Teil des Filmemachens, die Auseinandersetzung mit der Vorstellung der Mitstreiter. Das hat mir hier gutgetan. Und ganz ehrlich: Ich hätte den Film nicht absagen können. Meine Kinder hätten mich gekillt!


Man kann's ja auch so sehen, dass Sie das Känguru sind. Am Anfang klopfen Sie nur bei ihm an der Tür, weil sie ein Ei borgen wollen. Und dann ziehen Sie bei ihm ein und richten sich dort ein.


DANI LEVY: Ich bin extrem selbstkritisch. Meine größte Angst bestand darin, nicht der Richtige für den Film zu sein. Ich wollte nichts weniger, als dem Film einen Stempel aufdrücken, der gar nicht zu ihm passt. Natürlich wollte ich alles einbringen, was ich konnte - mein Knowhow, meine Erfahrung, meine Neugier, meine Liebe zu den Figuren. Aber ich wollte mich auch nicht aufdrängen. Der Film sollte immer dableiben, wo der Stoff ursprünglich herkommt.


Ist "Die Känguru-Chroniken" eine Ansage von Ihnen, einen kommerziellen Film machen zu wollen, der bei einem großen und breiten Publikum funktioniert?


Es gibt nicht viele Marken, die so stark zu X Filme und mir als Filmemacher passen wie "Die Känguru-Chroniken". Ich begreife den Film als Chance. Ich wollte nicht irgendeinen Franchise-Film machen. Das ist keine gültige Ansage. Fakt war für mich: Ich konnte mit dem Universum etwas anfangen. Ich finde die Welt gut, ich finde es gut, in der heutigen Zeit subkulturell oder multikulturell Helden ins Family-Entertainment reinzubringen und der allzu glatten Oberfläche, wie wir sie aus dem gängigen Kommerzkino kennen, etwas entgegenzusetzen, das sich echt und wahrhaftig und authentisch anfühlt. Ich fand es gut, einen unterhaltsamen Film mit einer politischen Haltung zu machen für junge Leute, was man heutzutage nicht so oft findet. Und ich fand es gut, ein Publikum zu bedienen, das ich mit meinen Filmen noch nie bedient habe, weil ich schon lange den Traum hatte, auch einmal Family-Entertainment zu machen.


Für X Filme ist es aber auch ein wichtiger Film.


DANI LEVY: Ich hoffe, dass "Die Känguru-Chroniken" beim Publikum ankommt. Wir würden uns riesig freuen, wenn er einen Nerv treffen würde. Wie man es auch dreht und wendet: Es ist ein richtiger X Film.


Thomas Schultze

Dani Levy zu "Die Känguru-Chroniken": "Ein richtiger X Film"