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Festival

Berlinale Tag 7: Apokalypse Alexanderplatz

Woran es dem Wettbewerb der 70. Berlinale bislang auch gemangelt hatte, war das nötige Maß an Wahnsinn und gewagter Vision. Nach "Berlin Alexanderplatz" und "DAU Natasha" ist dieser Makel hinfällig.

Thomas Schultze27.02.2020 08:06
Pures Kino in jeder Einstellung: "Berlin Alexanderplatz"
Pures Kino in jeder Einstellung: "Berlin Alexanderplatz" Entertainment One

Woran es dem Wettbewerb der 70. Berlinale bislang auch gemangelt hatte, war das nötige Maß an Wahnsinn und gewagter Vision. Filme also, mit denen nicht nur der Regisseur aus seiner Komfortzone tritt, sondern mit ihm auch das Kino selbst - Projekte, die nur mit einem gerüttelten Maß an Hybris entstehen konnten und sich dabei soweit aus dem Fenster lehnen, dass Scheitern eine mindestens so große Option erscheint wie künstlerischer Triumph. "Berlin Alexanderplatz" von Burhan Qurbani ist ein solcher Stoff, bei dem sich der Regisseur an einem Punkt entscheiden musste, alles auf eine Karte zu setzen und zu sehen, wohin ihn seine Vision führt. "Du hast keine Chance, aber nutze sie", hatte Herbert Achternbusch gesagt. Was kann auch gewonnen sein, wenn man sich an eine neue Adaption von Alfred Döblins Roman aus dem Jahr 1929 wagt, einer der entscheidenden Texte aus dem Deutschland des frühen zwanzigsten Jahrhundert, 1931 erstmals verfilmt mit Heinrich George nach einem Drehbuch von Döblin selbst, und dann natürlich noch einmal fast 50 Jahre später von Rainer Werner Fassbinder als 14-teilige WDR-Serie mit Günter Lamprecht als Franz Biberkopf, der doch nur ein guter Mensch sein will, den man aber nicht guter Mensch sein darf, ein singulärer Kraftakt, der seinerzeit die ganze (Fernseh-)Nation elektrisierte und ob seiner kompromisslosen Vision spaltete.

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