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Festival

CANNES Tag 5: Jede Menge Pfiff

Das 72. Festival de Cannes hat seinen Groove gefunden. Am fünften Tag hielt es zwei wunderbare Filme im Wettbewerb bereit, die einen staunen, wundern und schwärmen ließen.

Thomas Schultze19.05.2019 04:54
Virtuoser Film noir: "The Wild Goose Lake"
Virtuoser Film noir: "The Wild Goose Lake" Festival de Cannes

Es ist kalt in Cannes. Es regnet. Der Einlass in die Kinos dauert aufgrund der Kontrollen ewig, weil die Kollegen auch am fünften Tag nicht gelernt haben, ihre prall gefüllten Tragetaschen im Hotelzimmer zu lassen, bevor sie sich in die Schlangen vor den Pressevorführungen stellen. Und doch gibt es keinen Ort, an dem sich ein Fan des Kinos gegenwärtig besser fühlen könnte. Der Wettbewerb des 72. Festival de Cannes gibt auch wenig Anlass zur Klage. Im Gegenteil. Am fünften Tag gab es nach vielen interessanten und spannenden Titeln den ersten Film, der mich regelrecht elektrisierte. Vor fünf Jahren hatte Diao Yi'nan mit seiner erst zweiten Regiearbeit, "Feuerwerk am helllichten Tage", einer virtuos erzählten Serienmördergeschichte aus dem industriellen China, überraschend, aber auch verdient den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Und sich damit für Cannes in Stellung gebracht, wo er nun - endlich! - den Nachfolger vorstellte, "The Wild Goose Lake" (Originaltitel: "Nan fang che zhan de ju hui"). Wieder ist es ein lupenreiner Genrefilm geworden, wieder nutzt Diao einen vermeintlich bekannten Plot, um einerseits gekonnt mit den Erzählkonventionen zu spielen, andererseits die Realität eines vom Wohlstand abgehängten China zu reflektieren und seine Betrachtungen so nahtlos in die Handlung zu verweben, das keinerlei Reibungs- oder Tempoverlust entsteht. Aber "The Wild Goose Lake" wäre auch ein Meisterwerk, wenn es gar keine Handlung gäbe. Die Virtuosität, mit der der Regisseur seine Setpieces inszeniert, wie er regelrecht genial mit Schnitt, Schatten, Licht, Kameraschärfen spielt, um Verfolgungsjagden als lustvolles Spiel mit den Mitteln des Suspense zu inszenieren, wie zumindest ich das in dieser Form noch nie gesehen habe, ist genial.

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