Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Ein deutscher Film war 1997 der erfolgreichste in der Buena-Vista-Staffel. Welchen Stellenwert genießen deutsche Produktionen bei Ihnen inzwischen?

Wolfgang Braun: Wir sehen unsere Aktivitäten in Deutschland als Ergänzung zu den Filmen, die aus Amerika und dem Rest der Welt kommen: Damit wollen wir den Markt insgesamt vergrößern. Unsere Strategie ist es, mit deutschen Produzenten zusammenzuarbeiten und gemeinsam Projekte zu entwickeln.

BF: Trotz großer Erfolge mit deutschen Filmen mußte auch Buena Vista einige weniger erfolgreiche Auswertungen verkraften.

WB: Natürlich wäre es schön, wenn unsere deutschen Filme immer über drei Millionen Besucher hätten. Doch ist es keineswegs problematisch, wenn es auch Filme gibt, die keine großen Hits werden - das ist in den USA nicht anders. Inzwischen haben wir in Deutschland in etwa das gleiche Verhältnis von Tops und Flops wie in den Staaten.

BF: Wie viele Filme planen Sie pro Jahr zu verleihen?

WB: 1997 hatten wir 22 Filme in unserer Staffel. Und auch in diesem Jahr werden wir wahrscheinlich nicht mehr als 30 Filme starten.

BF: Welche Pläne verfolgt Buena Vista International Film Production Germany nach der äußerst erfolgreichen Coproduktion von ["Knockin' on Heaven's Door"](/movie/knockin-on-heavens-door) ?

WB: Wir machen jetzt zusammen mit Calypso Film in Köln unser zweites Projekt, das "Dee Jay's Day" heißen wird. Unter der Regie von Matthias Glasner spielen Moritz Bleibtreu, Richy Müller und Nicolette Krebitz. Drehbeginn soll im Sommer sein. Vielleicht kommt in diesem Jahr noch ein zweites Projekt dazu, allerdings sind wir genauso gern als Nur-Verleih dabei wie als Coproduzent.

BF: Wie entscheiden Sie, ob Sie einen Film als Coproduzent oder als Verleiher begleiten?

WB: Das entwickelt sich anhand des Projektes und hängt stark von den Bedürfnissen der Produktionspartner ab. Jedoch agieren wir auch gerne in der Rolle des aktiven Verleihers. Auch dabei arbeiten wir bei der Drehbuchentwicklung mit und machen uns schon in der Produktionsphase gemeinsam mit den Produzenten Gedanken über die mögliche Vermarktung des fertigen Films. Wir glauben, durch eine intensive Zusammenarbeit das Erfolgpotential eines Films steigern zu können.

BF: Wie kam die Zusammenarbeit mit Veit Helmer für "Tuvalu" zustande, bei dem sich Buena Vista als aktiver Verleiher engagiert?

WB: Wir haben einen großen Stamm von Mitarbeitern, die sich ausschließlich mit Drehbüchern beschäftigen. Von den jährlich 300 Drehbüchern wählen wir dann aus. "Tuvalu" fiel uns sofort auf. Es ist ein sehr ungewöhnliches und mit 70 Drehtagen durchaus aufwendiges Projekt. Weitere Filme, an denen wir uns gerade als Verleiher beteiligen, sind beispielsweise die Hager-Moss-Produktionen "Schlaraffenland" und "Sankt Pauli Nacht".

Besucherzahl in Deutschland verdoppeln

BF: Viele Verleiher fordern mehr Leinwände. Wie schätzen sie die deutsche Kinolandschaft ein?

WB: Noch 1989 sagten viele Kinobetreiber, "wir brauchen keine Multiplexe, die werden die Zuschauerzahlen nicht erhöhen". Heute bauen sie selbst welche. Würden wir übrigens das gleiche Verhältnis von Theatern zu Einwohnern wie in den USA anstreben, dann bräuchten wir in Deutschland 7700 Leinwände. Von Overscreening sprechen sowieso nur diejenigen, die vor Ort ein Monopol haben oder anstreben. Da wollen sie kein Stückchen vom Markt abgeben.

BF: Sehen Sie in Deutschland das gleiche Besucherpotential wie in USA oder Australien?

WB: Ist es abwegig zu glauben, die Besucherzahl in Deutschland ließe sich verdoppeln? Wir gehen ja davon aus, daß wir uns in einer Wachstumsbranche befinden und nicht in einer sterbenden. Deshalb müssen wir uns möglichst hohe Ziele setzen. Warum kann es in Deutschland nicht möglich sein, die Leute wie in Amerika drei bis vier Mal im Jahr ins Kino zu locken? Jetzt schon von einem deutschen Kinowunder zu sprechen, ist bei 1,74 Besucher pro statistischem Einwohner im Jahr noch zu früh. Das Erstaunliche dabei für mich ist ja, daß die deutschen Kinobetreiber das Wachstum in ihrem Markt scheinbar für eher unwahrscheinlich halten, die ausländischen dagegen überzeugt sind, hier befindet sich ein enormes, ungenutztes Potential. Auch das erste deutsche Multiplex habe ich für ein internationale Unternehmen gebaut.

BF: Wie verhält sich die Zusammenarbeit mit Kinobetreibern?

WB: Im Grunde partnerschaftlich und zufriedenstellend. Dennoch sind im Moment nicht alle Kinobetreiber stets so kooperativ, wie man das eigentlich von einer Partnerschaft erwarten könnte. Zu oft werden Filme, die vor zwei Jahren noch fast als Blockbuster durchgingen, zu früh abgesetzt und somit nicht optimal ausgewertet. Derzeit ist es oftmals schwierig, die Kinobetreiber davon zu überzeugen, Filme auch nach einem mittleren ersten Wochenende konsequent weiter zu spielen. Da herrscht gelegentlich sehr einseitiges Bestseller-Denken und vielen Filmen wird dadurch die Entwicklungschance genommen. Durch die hohen Kopienzahlen und die in Relation dazu geringe Zahl der Leinwände könnte das noch einige Zeit so bleiben.

BF: Wird mit einer steigenden Zahl an Leinwänden auch die Vielfalt wieder steigen?

WB: Nicht nur eine größere Zahl von Leinwänden wird dazu nötig sein. Filme müssen wieder vernünftig beurteilt werden, nicht ausschließlich nach Blockbuster-Kriterien. Ich meine auch, daß Blockbuster nicht grundsätzlich in allen großen Kinos einer Stadt laufen müssen. Die ganze Branche sollte langfristiger denken und ganz besonders auch andere Zielgruppen erschließen. Doch im Moment scheint diese Ein- und Voraussicht nicht überall vorhanden zu sein.

BF: Wie zufrieden sind Sie mit der Öffentlichkeitsarbeit in den Kinos?

WB: Das muß man differenziert sehen. Es gibt gute Beispiele, aber viele Kinobetreiber tun für ihre Kinos nicht soviel, wie sie tun könnten. Es genügt nicht, die Poster aufzuhängen und auf die überregionale Werbepower des Verleihs zu hoffen. Wir versuchen mit unserer "BVI-Infoline" die Sensibilität der Betreiber und besonders der örtlichen Theaterleiter und Kinomitarbeiter in Bezug auf lokales Marketing zu erhöhen. Wenn man bedenkt, daß am Wochenende die Kinos fast immer ausverkauft sind und an Werktagen oft die große Leere herrscht, sind da noch große Potentiale vorhanden, die noch nicht optimal genutzt werden. Ich kann auch überhaupt nicht verstehen, warum viele Kinos immer noch keine oder zu wenige Trailer als Werbemittel einsetzen. Dabei ist so die Zielgruppe am besten zu erreichen. Generell ist fehlendes Marketingbewußtsein wahrscheinlich auch eines der Probleme, warum in Deutschland weniger Leute ins Kino gehen als in anderen Ländern.

BF: Gerade hat der [HDF](/company/hdf-kino-ev) mit Nestle einen Sponsor für die Gemeinschaftskampagne Kino vorgelegt.

WB: Wenn Nestle als Mäzen auftritt, ohne dabei genannt zu werden, kann ich das nur unterstützen. Wenn die Aktion allerdings von Nestle präsentiert werden soll, dann ist das gegen die Vereinbarung, da Sponsoren nur zusätzlich zu den Eigenanteilen der Branchen-Beteiligten die Aktion unterstützen können. Dann wird sich Buena Vista nicht an dieser Kampagne beteiligen. Denn die Mitglieder von VdF, FFA und HDF sollten zunächst eigenes Geld einbringen, ohne daß Dritte genannt werden. "On the top" können sich dann Sponsoren beteiligen, um vielleicht noch mehr bewegen zu können.

BF: Welche Ziele können mit dieser Werbeaktion erreicht werden?

WB: Es gibt nichts Wichtigeres, als jedermann klar zu machen, daß Kino etwas Großes ist und ein Erlebnis bietet, bei dem andere Medien nicht mithalten könne. Dazu sollte man alle Möglichkeiten nutzen. Vielleicht auch eine zeitlich begrenzte Nestle-Kampangne, die eigentlich einem Nestle-Produkt zu besserer Marktchance verhelfen soll. Das wäre aber eine andere Sache, als die geplante Gemeinschaftsaktion, für deren Verwirklichung wir in irgendeiner Form einen Weg finden müssen. Ich halte derartige Aktionen für sehr wichtig, um den Kinobesuch übers Jahr konstant zu halten - gerade auch im Sommer. In Zeiten einer Fußballweltmeisterschaft wäre dies geradezu ideal gewesen, aber auch 1999 ist es nicht zu spät, den Stellenwert des Kinos in der Freizeit- und Medienlandschaft massiver klarzustellen.

Buena-Vista-Chef Wolfgang Braun im Interview