Blickpunkt:Film

Blickpunkt:Film: Wie ist es zu "Macht" gekommen?

Miguel Alexandre: Ich hatte vor eineinhalb Jahren die Idee zu "Macht". Die Grundidee war, daß ein Kanzlerkandidat kurz vor der Wahl entführt wird, die erste Geldübergabe nicht klappt, die Ehefrau mißtrauisch wird und anfängt zu recherchieren. Sie findet dabei Dinge über ihren Mann heraus, die sie nie für möglich gehalten hätte und ich wollte diese Situation emotional ausloten. Ich habe ein Expose geschrieben, es Sat.1 angeboten und als sie es machen wollten, habe ich mit dem Clemens Murath gemeinsam das Drehbuch geschrieben.

BF: Wollten Sie von vornherein die Hauptrollen mit Katja Riemann und Peter Sattmann besetzen?

MA: Ja. Ich bin sehr glücklich, daß es geklappt hat. Wir brauchten Schauspieler, die dem Zuschauer die Tragweite des Themas vermitteln können. Es war nicht einfach, ein Paar zu finden, daß so ein Politiker-Ehepaar verkörpern kann, bei dem man Seriosität und Idealismus erkennt. Das hat mit den beiden sehr gut geklappt.

BF: Warum haben Sie "Macht" nicht für das Kino realisiert?

MA: Zum einen konnten wir den Film für das Fernsehen wesentlich schneller realisieren, zum anderen haben wir nicht daran geglaubt, daß dieses Thema im deutschen Kino Zuschauer anlocken würde. Ich habe zudem auch das Gefühl gehabt, wenn wir den Film kurz vor der Wahl plazieren, dann ist er im Fernsehen richtig aufgehoben, weil er viele Zuschauer anlocken kann und man ihn in dem Medium sieht, in dem man auch die anderen Politiker tagtäglich sieht. Der Zuschauer hat durch diesen Stoff das Gefühl, hinter die Kulissen zu blicken.

BF: Was hat "Macht" gekostet?

MA: Wir hatten ein Budget von 2,7 Mio. Mark. Der Film ist komplett von Sat.1 finanziert und der  cofinanziert worden. Die Taurus-Film hat die Weltrechte an dem Film vorab erworben.

BF: Eigentlich war der Film "Winterkirsche", der zum Teil in Shanghai spielen soll, für 1997 geplant, "Macht" hat ihn sozusagen überholt. Was war das Problem?

MA: Das passiert ja oft. Wir haben eine Recherche-Reise nach Shanghai gemacht und dabei festgestellt, daß sich in den letzten drei Jahren kulturell und politisch dort so viel getan hat, daß das Drehbuch aktualisiert werden muß. Wir sind dabei sehr streng mit uns und drehen erst, wenn wir absolut überzeugt sind, daß das Drehbuch nicht mehr zu verbessern ist.

BF: Hat die Drehbuchentwicklung für Sie und auch Studio Hamburg eine besondere Bedeutung?

MA: Ja. Wir sehen in einem guten Drehbuch die Grundlage, ob ein Film gelingen kann. Wir sind da ganz erbarmungslos: Sobald wir auch nur einen geringen Zweifel haben, ob eine Figur schon komlett entwickelt ist oder Handlungesstränge wirklich funktionieren, wird nicht gedreht.

BF: Sie arbeiten sehr eng mit einem Autor am Drehbuch oder schreiben selbst. Warum?

BF: Ich finde, es gehört mit zur Aufgabe eines Regisseurs, dramaturgisch an dem Stoff zu arbeiten. Es ist wichtig, daß ein Regisseur die Vision des Autors teilt und umgekehrt. Ich untersuche zuerst die Seele der Geschichte, das Herzstück, das Thema, und versuche auszuloten, ob der Autor es genauso sieht. Ich halte nichts davon, Autoren zu vergewaltigen, sprich: ihnen den Stoff abzunehmen und dann etwas ganz anderes daraus zu machen. Das finde ich nicht fair.

BF: Wie geht es mit "Winterkirsche" weiter?

MA: Es ist im Moment nicht absehbar, wann es gedreht werden soll. Wir haben in der Zwischenzeit drei andere Kinoprojekte entwickelt und werden in den nächsten Wochen entscheiden, welches Projekt im Sommer realisiert werden kann.

BF: Um welche Projekte handelt es sich?

MA: Es ist "Die Tiefe des Meeres" dabei, das ist unser internationales Irland-Projekt. Wir haben sehr enge Kontakte nach Irland, es gibt den Coproduzenten Seamus Byrne dort, und wir haben einen großen Verleih, der signalisiert hat, daß Interesse besteht. Das ist eine große Liebesgeschichte an der irischen Westküste mit Thrillerelementen, vom Thema her geht es darum, ob man seinem Herzen mehr vertrauen sollte, als seinem Verstand und es geht am Rande auch um Fremdenfeindlichkeit. Uns liegt sehr viel daran, daß wir keinen Europudding machen. Ich halte nichts von diesem Spagat, weil die Filme dadurch kein Gesicht mehr haben, keine Authentizität, keine Wurzeln. Wir möchten, daß der Film authentisch ist und das er dadurch seine Kraft hat. Das erschwert die Finanzierung. Das andere Projekt ist "Grand Paradiso", ein ebenso großartiger Stoff: Der Film handelt von einem 18jährigen, der durch einen Verkehrsunfall an den Rollstuhl gefesselt wurde und auch seine Eltern verloren hat, als sie auf dem Weg zum Grand Paradiso waren, einem Gletscher in Italien, den Vater und Sohn besteigen wollten. Er hat mit seinem Leben abgeschlossen, bis ihm eine Therapeutin verspricht, ihn auf diesen Gletscher zu bringen. Gemeinsam mit einer Gruppe jugendlicher Strafgefangener machen sie sich auf den Weg. Es ist eine Geschichte über Freundschaft, in der wir als Zuschauer immer mehr das Gefühl bekommen, daß diese Außenseiter wesentlich normaler sind, als die normalen Leute in der Gesellschaft. Das dritte Projekt ist nach einem Drehbuch von Ben Taylor (): "Schutzengel" (AT) ist eine kleine Liebesgeschichte zwischen zwei Außenseitern, die sich am Heiligabend im Kino kennenlernen. Es entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte, die sehr anrührend und mit sehr viel Humor gespickt ist. Es ist ein herzerwärmendes, wunderschönes Drehbuch, auf das ich mich schon sehr freue.

BF: Was zeichnet die Zusammenarbeit mit Studio Hamburg aus?

MA: Ich habe große Freiheit und unser gegenseitiges Vertrauen schafft eine sehr angenehme Arbeitsgrundlage. Es ist schön, daß ich mich auf die Entwicklung der Geschichten konzentrieren kann. Auf dem freien Markt müßte ich aus wirtschaftlichen Gründen auch immer wieder Projekte machen, die nicht hundertprozentig meiner Vorstellung entsprechen. Bei dieser Zusammenarbeit kann ich mich auf die Qualität konzentrieren.

BF: Sie sind mit dem Film "Der Pakt" mehrfach (Telestar-Förderpreis, 3Sat-Zuschauerpreis, Goldener Löwe und Robert-Geisendörfer-Preis) ausgezeichnet worden. Fühlen Sie sich unter Erfolgsdruck?

MA: Ja, aber ich versuche mich davon freizumachen und mich darauf zu konzentrieren, Geschichten zu verfilmen, an denen mein Herz hängt und Filme zu machen, die ich selber gerne sehen würde. So lange das der Fall ist, bin ich glücklich.

Miguel Alexandre über seinen neuen Sat-1-Film "Macht'