Blickpunkt:Film

Film

Wie leicht war es, die rund 100 Filme für das Filmfest Hamburg zu gewinnen?
Wir mussten - und werden wohl weiterhin - um viele Filme kämpfen müssen; das liegt unter anderem daran, dass es immer mehr Festivals auf der Welt gibt. Es gibt aber auch immer mehr Filme; durch die neue, leichte und preiswerte Technik hat das Filmemachen einen Demokratisierungsprozess erfahren. Es ist für alle deutlich leichter geworden, Filme zu drehen. Dadurch wird der Heuhaufen, in dem man die sprichwörtliche Nadel suchen muss, immer größer.

Wie punktet das Filmfest Hamburg bei Verleihern und Weltvertrieben?
Wir haben einige Vorteile gegenüber anderen Festivals. Ein großes Plus ist, dass wir zeitlich niemanden daran hindern, ein A-Festival zu besuchen. Eine große Rolle spielen auch persönliche Beziehungen, die man sich über die Jahre aufgebaut hat. Die Firmen wissen, dass sie bei uns gut betreut werden, dass die Filme gut platziert werden. Außerdem ist Hamburg als Medienstandort vor allem im Printbereich weiterhin attraktiv.

Welchen Stellenwert haben die Preise beim Filmfest Hamburg?
Die Preise sind die Würze, der extra Thrill. Die Preise geben auch ein breites Panorama wieder: Wir haben einen Ehrenpreis, einen Kritikerpreis und Geldpreise, wie den TV-Produzentenpreis. Neu hinzugekommen ist der mit 5000 Euro dotierte "TV-Movie-Publikumspreis", der von der Zeitschrift "TV-Movie" an den Regisseur des beliebtesten Films aus der Reihe "eurovisuell" vergeben wird.

Dass eine Produktionsfirma mit dem Douglas-Sirk-Preis ausgezeichnet wird, hat es noch nicht gegeben. Warum bekommt in diesem Jahr die dänische Firma Zentropa den Ehrenpreis?
Wir haben in den vergangenen Jahren vorwiegend Regisseure, aber auch Schauspieler mit dem Douglas-Sirk-Preis ausgezeichnet. Wenn man aber einen Beitrag zur Filmkultur und Filmkunst würdigt, wie wir es mit dem Douglas-Sirk-Preis tun, darf man die Produzenten nicht außer Acht lassen - und wenn eine Firma in den letzten Jahren in diesem Bereich wirklich etwas geleistet hat, ist es Zentropa. Auch wenn sich die Rolle des Produzenten mehr und mehr zum Geldbeschaffer hin entwickelt, gibt es doch noch einige kreative Produzenten. Ob man mit Dogma einverstanden oder nicht einverstanden ist, Dogma war ein fantastisches Marketingtool. Der Boom des dänischen Films ist zum großen Teil auf Dogma und damit auch auf Zentropa zurückzuführen. Die Firma wurde gegründet von [Peter Aalbæk Jensen](/person/peter-aalbaek-jensen), [Vibeke Windeløv](/person/vibeke-windelov) und [Lars von Trier](/person/lars-von-trier), sie hatten gemeinsam die Idee zu der Firma, also bekommen sie auch gemeinsam den Preis.

"Die Preise sind der extra Thrill"
Neben den Dänen ist in diesem Jahr das frankophone Kino mit der Reihe "Voilà!" sehr stark vertreten. Wie kam es zu dieser neuen Reihe?
Der französische Kulturkreis im weitesten Sinn ist extrem filmreich. Die Idee zur Sektion war stark durch meinen Besuch in Ougadougou inspiriert, wo Afrikas größtes Filmfestival stattfindet. Es ist beeindruckend, wie lebendig das Kino dort ist. Ich finde es symptomatisch, wenn ein sehr kleines und sehr armes Land wie Burkina Faso so viel produziert, dass allein wir drei Filme für unser Programm gefunden haben. Das ist bewundernswert.

Nicht im Programm sind dieses Mal eine DVD-Reihe und die Shooting Stars der [European Film Promotion (EFP)](/company/european-film-promotion).
Die DVD-Reihe hat sich erübrigt, weil DVD-Geräte inzwischen beinahe flächendeckend in den deutschen Haushalten vorhanden sind. Man muss nicht mehr beweisen, wie fantastisch die Qualität der DVDs ist. Bei der Präsentation der Shooting Stars ging es auch darum, EFP am Stammsitz der Firma vorzustellen, und das ist in den vergangenen Jahren geschehen.

Was sind die Highlights des Rahmenprogramms?
Der Hyatt Filmtalk natürlich, der in den letzten Jahren auf begeisterte Resonanz gestoßen ist. Besonders freue ich mich auf den 28. September, wenn wir zu einem cineastischen Gipfeltreffen bitten: Der palästinensische Regisseur [Hany Abu-Assad](/person/hany-abu-assad) trifft beim Hyatt Filmtalk auf seinen israelischen Kollegen [Haim Bouzaglo](/person/haim-bouzaglo). Außerdem das filmisch-musikalische Gesamtkunstwerk "Trip", die Drehbuchrevue und das Konzert mit François Jeanneau, Uli Lenz und der westafrikanischen Band Lanaya.

Wie schätzen Sie die Stimmung am Medienstandort Hamburg nach dem Krisenjahr 2004 mit der Kürzung der [FilmFörderung Hamburg](/company/filmfoerderung-hamburg) ein?
Mein Eindruck ist, dass wir uns gewissermaßen mit der Krise arrangiert haben - und dies soll nicht als Fatalismus interpretiert werden. Unsere Sektion "Filmszene Hamburg" war quantitativ und qualitativ noch nie so reich wie in diesem Jahr; das zeigt, dass die hiesige Filmindustrie konstruktiv mit der Situation umgeht. Was aber nicht heißt, dass die Situation auf Dauer so bleiben kann; irgendwann sind die Ressourcen aufgebraucht.

Brücke nach China zum Abschluss
Das Filmfest Hamburg leistet in Kooperation mit der Obdachlosenorganisation Hinz & Kunzt einen ganz eigenen Beitrag zur Krisenbewältigung.
Es ist ein kleiner, fast symbolischer Beitrag: Arbeitslose mit einer gültig abgestempelten Besucherkarte der Bundesagentur für Arbeit zahlen einen Euro für alle Vorstellungen, die vor 17 Uhr beginnen. Wir sind gespannt, wie dieses Angebot angenommen wird.

2004 konnten Sie ein Besucherplus im zweistelligen Bereich verzeichnen. Wie sieht Ihre Prognose für 2005 aus?
Ich hoffe, dass wir trotz der Tatsache, dass Kino als solches im Moment rückläufig ist, erneut ein Besucherplus verzeichnen können. Das hängt aber von so vielen Faktoren ab, auch vom Wetter. Das Hamburger Publikum ist extrem "wetterfühlig".

Als Abschlussfilm haben sie den chinesischen Debütfilm "Electric Shadows" ausgewählt.
Damit möchten wir eine Brücke schlagen zwischen 2005 und dem China-Jahr 2006. Wir feiern 2006 in Hamburg das Mondfest und werden deshalb auch beim Filmfest Hamburg einen Schwerpunkt China haben. sw

Festivalleiter Albert Wiederspiel über seine Filmauswahl

Albert Wiederspiel||Albert Wiederspielwurde in Warschau geboren, wuchs in Dänemark auf und studierte Filmwissenschaft in Frankreich. Nach dem Studium begann er 1985 als Trainee bei 20th Century Fox International, von wo er als PR- und schließlich Marketingleiter zu 20th Century Fox of Germany wechselte. Ab 1995 war Wiederspiel GF von CineMarketing, wechselte1996 zu Polygram Film Entertainment bzw. Universal Pictures Germany. Von April 2000 bis Juni 2001 war er General Manager Theatrical bei Tobis StudioCanal. 2003 übernahm er die Leitung des Filmfests.