Blickpunkt:Film

Verleih

VideoWoche: Kann man Cinerenta als klassische Filmproduktionsgesellschaft bezeichnen?

[Marco Mehlitz](/person/marco-mehlitz): Sie ist es insofern, als das sie alle Aufgaben einer Filmproduktionsfirma wahrnimmt, also den gesamten Herstellungsprozess eines Films von der Entwicklung eines Drehbuchs über die Dreharbeiten bis zur Postproduktion begleitet. [Cinerenta](/company/cinerenta) ist keine klassische Filmproduktionsgesellschaft in Hinblick auf die Finanzierung von Filmen. Von 1976 bis 1989 bestand der Firmenzweck der alten Cinerenta ausschließlich darin, von Investoren Geld zur Finanzierung einzusammeln. Auf diese Weise entstanden Filme wie "[Kramer gegen Kramer](/movie/kramer-gegen-kramer)" oder "[Die unheimliche Begegnung der dritten Art](/movie/unheimliche-begegnung-der-dritten-art)". Aus gesetzlichen Gründen war diese Form des steuerbegünstigten Investierens ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr möglich, und das Unternehmen wurde 1994 aufgelöst. Erst seit der Neugründung 1996 besteht der Geschäftszweck von Cinerenta in der Kombination von Finanzierung und Produktion.

VW: Im Vorspann von "[Confidence](/movie/confidence)" werden Sie als Executive Producer geführt. Welche Aufgaben sind mit diesem Job verbunden?

MM: Vereinfacht gesagt, ist das der Titel für einen verantwortlichen Produzenten, der sich jedoch nicht täglich am Drehort aufhält. Executive Producer ziehen mehr die Fäden im Hintergrund und befassen sich weniger mit allen Tagesentscheidungen, die während der Dreharbeiten zu fällen sind. Ich begleite den Herstellungsprozess aus der Distanz und bin natürlich über alle wichtigen Dinge informiert.
Videoauswertung enorm wichtig
VW: Sie sind dann aber auch derjenige, über den sich Regisseure beschweren, wenn sie ihre Vorstellung von dem Film nicht durchsetzen konnten?

MM: Das ist richtig. Aber ich bin auch derjenige, bei dem sich Regisseure für die Ermöglichung einer Produktion bedanken.

VW: Warum leiten Sie das von Ihnen eingesammelte Kapital ausschließlich nach Hollywood?

MM: Unsere Anleger erwarten ihr Geld zurück. Diese Erwartung können wir mit hoher Sicherheit nur dann gewährleisten, wenn Filme global vermarktet werden. Das wiederum funktioniert nur über den US-amerikanischen Film. Tatsächlich werden aber die wenigsten unserer Filme wirklich in den USA gedreht, wenngleich sie alle natürlich internationales und amerikanisches Niveau haben.

VW: Welche Rolle spielt in Ihrer Kalkulation die Home-Entertainment-Auswertung?

MM: Man kann heute nicht mehr davon ausgehen, dass ein Film sein Geld an den Kinokassen einspielt. Im Lauf eines Jahres schaffen es nur eine Hand voll Filme, ihre Produktionskosten sofort über das Kino zu amortisieren. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren sogar sehr verschäft. Da-bei ist die Home-Entertainment-Auswertung, vor allem mit dem Aufkommen von DVD, von zentraler Bedeutung. Ohne diese Auswertungsstufe wäre kein Film mehr herzustellen, und wir planen diesen Rückfluss fest mit ein.

VW: Können Sie das am Beispiel des von Ihnen produzierten Films "Confidence" konkretisieren?

MM: Dieser Film hat weniger als 15 Mio. Dollar gekostet, da es sich um eine klassische Independentproduktion handelt. Im US-Kino hat er zwölf Mio. Dollar eingespielt, seine Kosten also zunächst einmal bei weitem nicht hereingeholt. Durch den Verleih und Verkauf im Home-Entertainment-Bereich wurden jedoch allein in den USA bereits 60 Mio. Dollar eingenommen. Wenn man noch die anderen Märkte hinzurechnet, werden wir an diesem Film gut verdienen. Uns war von Anfang an klar, dass wir mit "Confidence" nicht großes Blockbusterkino produzieren, sondern erst mit der Videoauswertung auf unsere Kosten kommen würden.

VW: Wie verhält es sich bei "[Der menschliche Makel](/movie/der-menschliche-makel)"?

MM: Hier hatten wir Kino und Video etwa gleichwertig angesetzt. Tatsächlich hat "Der menschliche Makel" im Kino unsere Erwartungen nicht erfüllt. Mit den Namen [Anthony Hopkins](/person/sir-anthony-hopkins) und [Nicole Kidman](/person/nicole-kidman) werden wir, wenn auch in längeren Zeiträumen als geplant, durch die Videoauswertung den Film refinanzieren.

VW: Verändern sich angesichts der immer größer werdenden Bedeutung von DVD Stoffauswahl und Herstellung von Filmen?

MM: Definitiv nein. Wir gehen nach wie vor mit der Vorstellung an ein Projekt heran, einen Kinofilm zu produzieren. Ich denke, dass das auch im Sinne der Konsumenten ist, selbst wenn sie gar nicht ins Kino gehen sollten. Denn auch auf DVD wollen Filmfans das erleben, was großes Kino ausmacht. Andernfalls würde es ausreichen, auf Fernsehspielniveau zu produzieren. Und das will sicherlich keiner.

VW: Nach neuesten Zahlen erwirtschaften die US-Majors 46 Prozent ihres Umsatzes mit Home Entertainment und nur 18 Prozent durch das Kinoeinspiel. Irritiert Sie das nicht?

MM: Solche Zahlen bedürfen der Interpretation: Filme werden vor allem durch ihre Marketing- und die Herausbringungskosten im Allgemeinen zum Kinostart so teuer. Damit aber ein Film auf DVD überhaupt ein großer Erfolg werden kann, benötigt er einen Bekanntheitsgrad, den erst das Kino erzeugt. Man darf also nicht nur die Einnahmeseite betrachten, sondern sollte fairerweise auch sehen, was die Ausgaben zum Kinorelease bewirken: Ohne Kino gäbe es diese gigantischen DVD-Einnahmen nicht.

VW: Ein Aspekt, der dem Medium DVD zum Durchbruch verholfen hat, ist das Zusatzmaterial. Denken Sie während des Herstellungsprozesses bereits daran?

MM: Natürlich. Wichtig ist, dass während des Herstellungsprozesses möglichst viel Bildmaterial gesammelt wird, das sich für solche Features eignet. Ich räume allerdings ein, das wir Produzenten hier noch Nachholbedarf haben. Man muss den Kinofilm auf DVD als völlig eigenes Produkt betrachten, das für ein originäres Seherlebnis steht. Das muss von Produzenten noch mehr als bisher gewürdigt und entsprechend umgesetzt werden. Ich glaube auch, dass das Zusatzmaterial in Hinblick auf das Eindämmen von Internetpiraterie eine große Bedeutung hat.

VW: Gibt es eine DVD, die Ihnen besonders positiv aufgefallen ist?

MM: Ich war von der "[Memento](/movie/memento)"-DVD sehr begeistert:
Bekanntlich wird die Geschichte rückwärts erzählt, und auf der DVD gibt es ein Hidden Feature, mit dem man den Film vorwärts ablaufen lassen kann.

VW: Sind Sie auch für die Vergabe der Home-Entertainment-Rechte zuständig?

MM: Nicht direkt. Im Fall von "Confidence" haben wir die Weltrechte an Lions Gate Films vergeben, die auch unser Koproduktionspartner waren. Das heißt, Lions Gate war für den Weltvertrieb zuständig und hat einen Teil der Lizenzrechte wiederum einer Art Großhändler überlassen, nämlich der Firma Epsilon Motion Picture. Auf diesem Weg hat die deutsche [Universum Film](/company/universum-film) die Rechte für Kino und Video erworben.

Im Gespräch: Marco Mehlitz, Filmproduzent