Blickpunkt:Film

Verleih

VideoWoche: Wie ist die [Kinowelt GmbH](/company/kinowelt_6) nach dem Umzugsjahr 2003 im neuen Jahr aufgestellt?

[Bertil le Claire](/person/bertil-le-claire): Wir sind in drei Hauptbereiche aufgeteilt: Lizenzgeschäft, Filmverleih und Home Entertainment. Ein vierter Bereich wird gerade in eine eigenständige Gesellschaft ausgegliedert, der die Arthaus-Musik umfasst. Dieser Bereich ist ein eher atypischer Geschäftszweig, der das Opern-, Klassische-Musik- und Ballett-DVD-Segment umfasst. Interessanterweise spricht in diesem Zusammenhang der internationale Markt nicht von Kinowelt, sondern von Arthaus, da man unter diesem Namen als Erster in Programme investierte. Heute sind wir mit rund 200 Titeln und 40 Neuveröffentlichungen pro Jahr Marktführer in Europa und vielen weiteren Ländern, und auch in den USA und Asien zählen wir zu den führenden Anbietern. Ein weiteres Unternehmen, die Arthaus Musik Produktion, ist überdies in Gründung. Wir haben mit der "Lustigen Witwe" am Opernhaus Zürich gerade die erste Oper selbst aufgezeichnet.
"Halten an Verleihfenstern fest"
VW: Wie ist das Geschäftsjahr 2004 angelaufen?

BC: Nach dem erfolgreichen Turnaround sind die Lizenzen gesichert bzw. neue erworben worden. Im Moment führen wir Verhandlungen über den Erwerb weiterer Kataloge für unser Repertoire, das ja vor allem auf den deutschen, europäischen und auch amerikanischen Independentfilm ausgerichtet ist.

VW: Von welcher Einkaufspolitik lässt sich Kinowelt leiten?

BC: Beim Einkauf setzen wir sehr stark auf die Auswertung im Home-Entertainment-Bereich. Manche Titel sind nur für den Filmverleih interessant, aber am besten ist es, wenn wir alle Rechte, inklusive TV, erwerben.

VW: Wie stellt sich die Finanzierung der Kinowelt dar?

BC: Unser gesamter Einkauf wird aus dem Cashflow, also aus unseren Überschüssen, finanziert. Wir müssen auf keine Fremdfinanzierung zurückgreifen.

VW: Home Entertainment ist ein wichtiger Geschäftsbereich der Kinowelt. Wie stellt sich die Situation dort dar?

[Jan Rickers](/person/jan-rickers): Das Home-Entertainment-Geschäft entwickelt sich über Plan. Wir glauben, das Potenzial der DVD ist bei weitem noch nicht erschöpft. Es werden weiter neue Konsumenten hinzukommen, die vorher nie einen Videorekorder besessen haben. Der einzelne Verbraucher kauft pro Kopf mehr DVDs als VHS. Die DVD erschließt völlig neue Märkte. Arthaus Musik ist dafür das beste Beispiel.

BC: Vom Gesamtumsatz der Kinowelt GmbH entfallen 80 Prozent auf Home Entertainment. Überraschend ist, dass Repertoiretitel so gut gehen. Dieser Bereich hat sich im letzten Jahr überproportional entwickelt.

VW: Kinowelt hat einen gewaltigen Home-Entertainment-Rechtestock von über 5000 Titeln. Was fangen Sie damit an? Welche Veröffentlichungspolitik verfolgen Sie?

JR: Grundsätzlich gehen wir so vor, dass wir die Titel auswählen, die ins Portfolio von Kinowelt passen und von denen wir uns natürlich Chancen am Markt erwarten. Wichtig ist es, "Titelthemen" definieren zu können. Das reicht vom Heimatfilm über Klassiker der Filmgeschichte bis zu unseren Action-Movies für die Videotheken. Titel wie "[Whale Rider](/movie/whale-rider)" und "[Deep Blue](/movie/deep-blue)" machen natürlich besonders Spaß, da wir bei diesen Filmen sehr gut mit Partnern kooperieren können und uns hohe Abverkaufszahlen erwarten.
Marke Arthaus wird ausgebaut

VW: Welche Bedeutung hat der Verleih für die Kinowelt?

JR: Der Verleih ist für uns ein ganz entscheidendes Standbein und ein sehr sicheres Geschäft. Große Sprünge nach oben erwarten wir allerdings nicht, da der Gesamtmarkt nicht mehr bietet.

VW: Können die Videotheken weiterhin mit Verleihfenstern rechnen?

JR: Ja, wir halten an den Fenstern fest; titelabhängige Direktvermarktungen sind nicht ausgeschlossen.

VW: Der Home-Entertainment-Markt ist von einer Niedrigpreispolitik erfasst worden. Welchen Standpunkt vertritt Kinowelt?

JR: In gewisser Weise müssen wir mit einem Teil unserer Produkte mitziehen, weil wir konkurrenzfähige Produkte im Niedrigpreissegment anbieten wollen. Glücklich über diese Entwicklung sind wir nicht, da der Preisverfall besonders bei kleineren Auflagen schmerzlich ist. Wir versuchen bei Titeln wie "[Nomaden der Lüfte](/movie/nomaden-der-luefte-das-geheimnis-der-zugvoegel)", die ein Alleinstellungsmerkmal haben, den Preis hoch zu halten. Außerdem setzen wir sehr stark auf exklusive Sammlungen. Wir wollen dem Verbraucher mehr bieten als einen Film in einer schwarzen Plastikhülle. So gibt es zum Beispiel bei unserer Kinski-Box zusätzlich eine Audio-CD und ein ausführliches Booklet.

BC: Bei den wichtigen Filmen und Labels können wir es uns leisten, die Preise relativ hoch zu halten. Unser durchschnittliches Preisniveau ist im letzten Jahr - entgegen den Prognosen - ziemlich hoch geblieben.

VW: Welche kurz- und mittelfristigen Ziele haben Sie sich gesteckt?

JR: Natürlich sind wir weiterhin daran interessiert, attraktive Neuveröffentlichungen zu erwerben, die wir erst im Kino und dann auf DVD auswerten. Auf der Berlinale führen wir konkrete Verhandlungen bezüglich einiger sehr spannender Titel. Parallel dazu erweitern wir unseren Backkatalog mit dem Ziel, pro Monat circa 15 Titel zu veröffentlichen. Großes Potenzial sehen wir auch darin, unsere Marke Arthaus weiter auszubauen und als das Label für den "besonderen Film" zu etablieren.

VW: In welcher Form legen sich die juristischen Schatten der alten Kinowelt auf die Arbeit der neuen Kinowelt?

BC: Beim Geschäft in den einzelnen Märkten haben wir keinerlei Beeinträchtigung festgestellt. Und die Endkunden interessieren sich nicht für juristische Auseinandersetzungen beim Lieferanten. Im Lizenzgeschäft ist es am wichtigsten, dass die Rechteketten intakt sind. Hier helfen die langjährigen persönlichen Beziehungen von [Michael](/person/dr-michael-koelmel) und [Rainer Kölmel](/person/dr-rainer-koelmel) zu Lizenzgebern und TV-Sendern. Hier hat es keinerlei Beeinträchtigungen bei Verhandlungen gegeben. Auch im Filmverleih oder im Home-Entertainment-Bereich ist dies kein Thema, das den Vertrieb beeinträchtigen könnte. Die Anschuldigungen gegen Michael Kölmel klingen ziemlich abenteuerlich. Wir gehen mit ihm von einem Freispruch aus. Die alte Kinowelt Medien AG soll im Übrigen nach Wunsch der Gläubigerbanken durch ein Insolvenzplanverfahren geführt werden. Sollte die Hauptversammlung dem Insolvenzplan zustimmen, wird die Kinowelt GmbH eine Wiedereinbringung vorschlagen, damit auch die Aktionäre an der Rettung der Kinowelt teilhaben können.

VW: Könnte der Prozess - mit welchem Ausgang auch immer - die neue Kinowelt GmbH gefährden?

BC: Das Unternehmen ist von der Leitung so konzipiert, dass die Unternehmensführung sichergestellt ist. Das haben auch die Gutachten der finanzierenden Banken bestätigt.

Im Gespräch: Bertil le Claire und Jan Rickers, Kinowelt