Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Sie waren nicht erste Wahl für die Verfilmung des Lebens von Bob Crane.

Paul Shrader: Ursprünglich wollte Propaganda den Film machen. Eine Woche vor dem geplanten Drehstart ging die Company über den Jordan, das Projekt wurde auf die lange Bank geschoben, das Drehbuch fand den Weg zu mir. Damals war das noch eine eher konventionelle Filmbiografie, aber unter der glatten Oberfläche entdeckte ich etwas, das ich sehr interessant fand:
Die Freundschaft zwischen Bob Crane und [John Carpenter](/person/john-carpenter), der den Schauspieler mit dem nötigen Video-Equipment versorgte und bei seinen sexuellen Eskapaden begleitete, sagte etwas sehr Interessantes über das Wesen des amerikanischen heterosexuellen Mannes aus.

BF: Also haben Sie das Drehbuch umgeschrieben. Dennoch haben Sie keinen Credit als Autor bekommen.

PS: Sicher, ich habe das Ganze auseinander genommen und neu zusammengesetzt. Es gibt eine Bestimmung der Autorengewerkschaft, dass 60 Prozent eines Drehbuchs neu geschrieben sein müssen, wenn man in den Credits gelistet werden will. Ich würde sagen, dass mehr als 60 Prozent von mir stammen. Die Gewerkschaft sah es anders. Aber glauben Sie mir: Das Drehbuch, der Film - die stammen von mir.

BF: Was war Ihre Intention?

PS: Wie gesagt, die Crane/Carpenter-Nummer weckte mein Interesse. Je länger ich an "Auto Focus" arbeitete, desto spannender fand ich die Figur des Bob Crane. In ihm fand ich eine interessante Version jener Art von Abkapselung von der realen Welt, wie ich sie immer wieder behandelt habe. Ich dachte, dass es spannend wäre, %Travis Bickle% aus "Taxi Driver" als sympathischen, harmlosen Kerl neu zu erfinden. Wie Travis hat Bob Crane ein Problem: Er entfremdet sich immer weiter von der Welt, aber bis zum Schluss kapiert er einfach nicht, was mit ihm vorgeht. Als ich die Dynamik zwischen Bob und John Carpenter geknackt hatte, entdeckte ich noch weitere Themen: die Rolle von Berühmtheit in der Populärkultur, der Wandel des Selbstverständnisses des amerikanischen Mannes.

BF: "Auto Focus" ist immer wieder "out of focus": Sie haben einige Sexszenen nachträglich unscharf gemacht.

PS: Mein Fehler war, dass ich bei der Vorbereitung im Fernsehen Serien wie "[Sex and the City](/tvshow/sex-and-the-city)" angesehen habe, um zu sehen, wie weit ich bei der Darstellung von Sex gehen darf, um ein R-Rating zu erhalten. Das Problem ist: "Sex and the City" läuft im Kabelfernsehen und hat ein NC-17-Rating. Und NC-17 ist für die Kinoauswertung von "Auto Focus" natürlich inakzeptabel. Al-so musste ich ein paar Szenen nachträglich entschärfen.

BF: Damit scheinen Sie aber kein Problem zu haben?

PS: Wer Porno sehen will, der kann sich Porno ansehen. Aber darum geht es ja nicht in "Auto Focus". Ich hatte den Eindruck, als hätte ich den ungeschriebenen Vertrag mit dem Publikum gebrochen. Und deshalb schmerzte es mich auch nicht, diese Szenen nachzubehandeln.

"Man muss sich Dämonen immer wieder stellen"

BF: Wie hat Bob Cranes Familie auf den Film reagiert?

PS: Ich kann nur von seinem ältesten Sohn Bob Jr. sprechen. Er war Berater, ich wohnte mit ihm einige Monate in einer Wohnung. Ohne ihn hätte ich "Auto Focus" gar nicht drehen können. Er hat den Film gesehen und war sehr angetan.

BF: Im Gegensatz zu frühen Arbeiten ist "Auto Focus" beinahe versöhnlich.

PS: Ich würde mich selbst nicht mehr erkennen, wenn ich dem Paul Schrader von damals begegnen würde. Zur Zeit von "Taxi Driver" war ich verrückt, kaputt, unglücklich, paranoid, am Ende. Zu viel Alkohol, zu wenig Schlaf. Nach Jahren der Entfremdung stand ich vor der Wahl Amok zu laufen oder Drehbuch zu schreiben. In zehn Tagen hatte ich "Taxi Driver" fertig. Ich erzähle Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich sage, dass es keine bessere Selbsttherapie als Filmemachen gibt.

BF: Und diese Selbsttherapie nehmen Sie auch heute noch in Anspruch?

PS: Ich bin immer noch Filmemacher, nicht wahr? Sehen Sie, die Dämonen und Dilemmas verschwinden nicht einfach aus der Welt. Man muss sich ihnen immer wieder auf Neue stellen, um sie kontrollieren zu können: Entweder kehren sie danach zurück oder sie machen Platz für immer neue Dilemmas.

BF: Welche Form der Selbsttherapie wird "The Exorcist IV" darstellen, den Sie in Kürze drehen werden?

PS: Er wurde mir zugetragen, als [John Frankenheimer](/person/john-frankenheimer) aussteigen musste. Ich arbeite gerade am Drehbuch, das voller religiöser Themen steckt. Ich wurde streng kalvinistisch erzogen und ging einige Jahre auf die Priesterschule. Ich bin geradezu prädestiniert, den Film zu machen. Die Handlung von "Der Exorzist IV" setzt 1946 ein, als Pater Merrin, im ersten Film von [Max von Sydow](/person/max-von-sydow) gespielt, bei mir von [Stellan Skarsgard](/person/stellan-skarsgard), erstmals auf den Dämon trifft. Ich hoffe, mir sämtliche Verweise auf die anderen Filme schenken zu können. Ein Traumprojekt für mich, denn zum ersten Mal kann ich mit einem vernünftigen Budget arbeiten.

Regisseur Paul Schrader über "Auto Focus"