Blickpunkt:Film

Festival

Blickpunkt:Film: Wie fühlen Sie sich als Präsident?


Gilles Jacob: Ich fühle mich wie jemand nach einem sehr arbeitsreichen Jahr, denn außer dass ich Thierry Frémaux bei der Filmauswahl geholfen habe, habe ich einen 26-minütigen Montagefilm aus Archivaufnahmen mit dem Titel "Histoires de festival" gemacht, über Cannes, die Geschichte des Films und 25 Jahre meines Lebens und das vieler Cinéphiler. Das hat mich viel Zeit gekostet, fünf Monate Recherche und Arbeit. Der Film wird am Freitag, 24. Mai, um 20.15 Uhr auf [Arte](/company/arte-deutschland) gesendet. Dies zur Information für Ihre cinephilen Leser.


BF: Sie haben also auch diesmal wieder mit [Thierry Fremaux](/person/thierry-fremaux) zusammen Filme ausgewählt?


GJ: Ja, und wir waren dabei sehr glücklich: Ich versuche, ihm meine Erfahrung von 25 Jahren zu vermitteln, aber ich habe auch Wert darauf gelegt, dass er die Entscheidungsverantwortung für die Auswahl übernimmt, selbst wenn ich manchmal nicht seiner Meinung war, wo man den Film platziert. Es ist ein friedlicher, vertrauensvoller Übergang.


BF: Verändern sich die Auswahlkriterien mit den neuen Medien und digitalen Kameras?


GJ: Die Kriterien ändern sich nicht entscheidend, es gibt eben nicht 50.000 Arten, das Programm eines großen Filmfestivals heute zu gestalten: 1. Die bestmöglichen Filme nehmen und nur nach Qualität entscheiden - deshalb gibt es oft dieselben Regisseure. 2. Die Programmzusammenstellung dramatisch steigern, sehr unterschiedliche Filme, lange, kurze, lustige, problemreiche etc. 3. Für alles Neue offen sein, technisch, aber auch für Schulen, Strömungen, neuen Kinematografien.


BF: Also keine neue Konzeption?


GJ: Nein. Sie sind zurückhaltend genug, mir die Frage nicht zu stellen, aber ich beantworte sie trotzdem - warum gibt es keinen deutschen Film im Wettbewerb? Böse Zungen sagen, Jacob liebt unsere Filme nicht (welch eine Dummheit und Lüge). Thierry hat drei Reisen nach Deutschland gemacht. Er hat mit Christiane Peitz eine zweite Korrespondentin engagiert. Dennoch gibt es wieder keinen deutschen Film. Heißt das, dass Thierry die deutschen Filme nicht mag? Natürlich nicht. Er hat nur keinen Film für den Wettbewerb gefunden. Nächstes Jahr wird er es wieder versuchen. Und eines Tages wird der neue [Wenders](/person/wim-wenders), [Herzog](/person/werner-herzog), [Schlöndorff](/person/volker-schloendorff), [Fassbinder](/person/rainer-werner-fassbinder), [von Trotta](/person/margarethe-von-trotta), [Lang](/person/fritz-lang) oder [Murnau](/person/friedrich-wilhelm-murnau) auftauchen und ich werde der Erste sein, der ihn begrüßt.

Interview mit Gilles Jacob: Warten auf den neuen Wenders