Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was ist für Sie die größte Herausforderung im Kampf mit Disney?

Bill Mechanic: Ich weiß nicht, ob wir gegen Disney kämpfen. Wir haben unser Zeichentrickstudio extra in Phoenix eröffnet, weil wir nicht im gleichen Fischbecken bleiben wollten. Wir wollten nicht in Disneys Schatten stehen. Doch jetzt zum Kinostart von "Anastasia" setzen wir uns einem verstärkten Wettbewerb aus. In den USA setzt Disney gleich vier Filme auf uns an. Doch das ist für uns nur eine Aufwärmübung. Die entscheidende Frage ist die, ob wir stärker sind als ["Flubber"](/movie/flubber) oder zumindestens genauso stark. Wenn wir nur einen schwachen Film haben, dann sind wir tot - ganz egal, was sie machen. Wenn wir einen guten Film haben, dann wird er so oder so funktionieren. Ich jedenfalls glaube an diesen Film.

BF: Bei "Anastasia" sind die Marktingkosten 30 Prozent höher als bei jedem anderen Fox-Film, einschließlich "ID4".

BM: Das stimmt, aber das hat nichts mit Disney zu tun. Wenn wir ein herkömmliches Marketing betrieben hätten, würde immer noch ein guter Familienfilm starten. Doch wir wollen darüber hinaus gehen.

BF: Wie wollen Sie das machen?

BM: Das funktioniert nur, solange man den richtigen Film hat. Von Anfang an wurde "Anastasia" als Erwachsenenfilm konzipiert, denn die Russische Revolution ist ein Thema für Erwachsene. Der Film hat die ausgedehntesten Action-Sequenzen, die jemals im Animationsbereich gemacht wurden. Zudem ist es ein großer Abenteuerfilm mit Humor und einer großartigen Musik. All das - die Figuren, die Geschichte, das historische Umfeld - sind sehr unterschiedliche Elemente, die wir zusammenfassen und dem großen Publikum nahebringen müssen. Das ist die Aufgabe, die das Marketing lösen soll.

"1984 hat Don Bluth Disney aufgeweckt"

BF: Warum hat Fox gerade jetzt die neuen Zeichentrickstudios aufgebaut?

BM: Die Entscheidung ist bereits vor Jahren getroffen worden. Als ich 1984 zu Disney kam und den internationalen Vertrieb aufbaute, war es Don Bluth, der Disney mit ["Feivel - Der Mauswanderer"](/movie/feivel-der-mauswanderer) wieder aufweckte. Danach kam die Periode mit "Die kleine Meerjungfrau" und ["Die Schöne und das Biest"](/movie/die-schoene-und-das-biest_0), mit denen Disney Europa zurückgewinnen konnte und die Disney erst zu dem gemacht haben, was es jetzt ist. Als ich 1993 Disney verließ, wollte ich zunächst mit dem Animationsbereich nichts zu tun haben. Aber dann habe ich gesehen, daß die Studios von Don Bluth ins Abseits geraten waren. Ich halte Don Bluth für einen der ganz großen Animatoren, und ich bot ihm an, für Fox zu arbeiten. Auf diesem Weg wollen wir weiterarbeiten.

BF: Welche Überraschungen halten Sie für das Publikum bereit?

BM: Am schlimmsten ist es, wenn ein Film vorhersagbar ist. Die Leute mögen keine Pioniere, aber sie wollen etwas Frisches sehen. Wenn man immer wieder das gleiche macht, wird es mit der Zeit schal. Vielleicht ist es das, was gerade bei Disney passiert: Ein Markenzeichen vereinfacht vieles, solange man nicht den Schwung verliert. Meiner Ansicht nach ist es besser, wenn man alles völlig umkrempelt. "Anastasia" ist nicht vorhersagbar. Wenn man die ersten fünf Minuten sieht, weiß man nicht, worauf es hinauslaufen wird. Das Publikum rechnet nicht mit den Schluß, den wir gemacht haben.

BF: Wie hoch waren die Kosten? Welche Einnahmen erwarten Sie?

BM: Der Film hat 50 Millionen Dollar gekostet. Wir wollen wenigstens einen Dollar mehr einspielen.

BF: Muß das Verhältnis zwischen Kosten und Einspiel nicht im Verhältnis 1:3 stehen?

BM: Nein. Je größer der Maßstab, desto stärker verringert sich dieses Verhältnis. Wenn man einen Zehn-Mio.-Dollar-Film herstellt, muß man 20 Millionen Dollar in das Marketing investieren und dann ist das Verhältnis 1:3. Kostet ein Film 40 Millionen Dollar braucht man 50 Prozent davon für die Vermarktung eines Films - also ist das Verhältnis nur noch 1:2. Bei einem 100-Millionen-Dollar-Film kann bei Marketingkosten von 20 Millionen Dollar das Verhältnis deutlich darunter liegen.

"Keine Zeichentrickfilme nur für Kinder"

BF: Wie sieht Ihre Zeichentrickphilosophie aus?

BM: Sie ist äußerst einfach: Man macht Zeichentrickfilme nicht ausschließlich für Kinder. Wenn ein Film sich an das ganze Publikum wendet und wenn er eine positive Moral besitzt, funktioniert er von ganz allein.

BF: Was werden Ihre nächsten Zeichentrickprojekte sein?

BM: Unser nächstes Animationsprojekt, "Planet Ice", ist ein Abenteuerfilm, der im Weltraum spielt. Bei "Anastasia" hatten wir eine Mädchengeschichten, die wir für ein großes Publikum umgearbeitet haben, indem wir sie mit Humor-, Action- und Abenteuerelementen angereichert haben. Bei "Planet Ice" haben wir zwei Jahre daran gearbeitet, daß es kein reines Sci-fi-Abenteuer wird. Es gibt wenig Science-fiction-Geschichten, die auf einer Moral basieren. Jedoch hat["Star Wars"](/movie/krieg-der-sterne-special-edition) bewiesen, daß dies nicht unmöglich ist. Zudem haben wir die Arbeit an einem dritten Film gerade begonnen. Er wird anders als die beiden ersten Filme werden und womöglich sehr wenig Action haben.

Bill Mechanic, Präsident von Twentieth Century Fox