Blickpunkt:Film

Film

Bundespolitik darf nicht schweigen
Der österreichische Film ist erfolgreich; seit neuestem sogar an den französischen, belgischen und niederländischen Kinokassen. Und Fernsehserien aus Österreich sind sowieso die erfolgreichsten, nicht nur bei unseren deutschen Nachbarn, sondern auch im eigenen Land. Ob der österreichische Film allerdings auch in Österreich erfolgreich sein kann, zuallererst nämlich dort, wo es darum geht, ihn zu finanzieren, das wissen wir noch nicht. Um über den österreichischen Markt hinauszugelangen, benötigen wir dringend Koproduktionen, aber die Stärke des österreichischen Produzenten wird nicht zuletzt von den Förderern bestimmt. Lange wird die Bundespolitik in Österreich angesichts der jüngsten Triumphe jedenfalls nicht mehr schweigen können, und währenddessen macht der Wiener Film Fonds seine Arbeit auf regionaler Ebene - das vorhandene kreative Potenzial wird damit auf längere Sicht aber sicherlich nicht befriedigt werden können, der Programmbedarf der Fernsehsender auch nicht, und wer bei Festivaldirektoren und Kinogehern Bedürfnisse weckt, sollte auch in der Lage sein, sie zu befriedigen. Während Wolfgang Murnberger ("Brüder"), Stefan Ruzowitzky ("All the Queen's Men"), Lukas Stepanik und Robert Schindel ("Gebürtig"), die Debüttanten Sabine Hiebler und Gerhard Ertl ("Nogo") an der Fertigstellung der neuesten Überraschungen aus Österreich werken, denken wir schon an übermorgen, z. B. an die nächsten Filme von Coop 99. Um allen diesen Talenten Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, ist die Stadt Wien dabei, ein neues Finanzierungsmodell zu entwickeln, den Standort zu stärken und damit auch die Rahmenbedingungen dafür zu verbessern, dass künftiges Privatfernsehen in Österreich seine Aufträge dort vergibt, wo seine Seher sein werden.
[Peter Zawrel](/person/dr-peter-zawrel), [Wiener Film Fonds](/company/filmfonds-wien)


Zwischen Abwehr und Abwesenheit
Die jüngsten Erfolge des österreichischen Films in Cannes, Venedig und Toronto erwecken in mir wieder einmal die Hoffnung, dass sich in der österreichischen Filmlandschaft Solidarität manifestiert - Erfolg schweißt bekanntermaßen zusammen - und dass sich im Zuge neuer Aufmerksamkeit von außen auch von innen her ein klar definierter politischer Wille am Horizont dieses Filmstandortes abzeichnen wird. Dass von Seiten der politischen Entscheidungsträger statt der bisher eher schwammigen Haltung zwischen Abwehr und Abwesenheit endlich Signale von Engagement und Rückhalt gesetzt werden. Als Voraussetzung einer Kontinuität, ohne die sich solche Festivalerfolge wie Eintagsfliegen ausmachen würden. Der Zeitpunkt war noch nie so günstig, die mühsame Kleinarbeit der Pioniere dazu zu verwenden, das Selbstwertgefühl (auch des heimischen Publikums) zu stärken und die Lust auf heimische Produkte "anzukurbeln", wie das andere erfolgreiche Filmnationen vorexerzier(t)en: einst Frankreich, Italien, Deutschland und die Schweiz, heute Dänemark, Island, Holland, Irland und Spanien. Gelingt die Wertschätzung des Eigenbaus im eigenen Land, stellt sich Anerkennung und "Erfolg in Zahlen" erwiesenermaßen auch im Ausland ein. So sind diese Erfolge neben Beachtung der Eigenständigkeit des österreichischen Films auch Beweis für die Qualität der heimischen Filmschaffenden und somit Grundlage des Vertrauens in internationalen Partnerschaften und daraus resultierenden Koproduktionen. Cine Tirol, die Filmförderung und Film Commission des Landes Tirol, hat sich seit seines Bestehens diese Qualität in der Partnerschaft mit in- und ausländischen Film- und TV-Produktionen zum Ziel gesetzt. Die Erfolge der letzten drei Jahre und die intensive Zusammenarbeit mit vor allem deutschen Partnern (jedoch auch skandinavischen, amerikanischen und indischen) bestätigen diese Bemühungen. Es gibt mittlerweile auch einen Gebäudekomplex in Seefeld, der während der deutsch-kanadischen Koproduktion "The Extremists" seine Tauglichkeit als 2600 Quadratmeter großes Filmstudio unter Beweis gestellt hat.
[Erich Hörtnagl](/person/erich-hoertnagl_7), [Cine Tirol](/company/cine-tirol-film-commission)


Geld aus Privat-TV nur Fantasie
Es klingt paradox, aber mit wachsendem internationalem Interesse am österreichischen Filmschaffen, scheint die Ignoranz und Arroganz des verantwortlichen Bundespolitikers nur linear größer zu werden. Während die regionalen politischen Entscheidungsträger zunehmend die ihnen angebotenen Chancen für die Zukunft ergreifen, lässt der oben angesprochene nur zynische und unrichtige Bemerkungen, die nur zur Diffamierung der gesamten Branche geeignet sind, fallen. Dabei hat Peter Marboe als Kulturstadtrat in Wien gezeigt, welchen Weg man ebnen kann, wenn man Leidenschaft mit kulturpolitischen und wirtschaftlichen Motiven zusammenführt. Ich bin überzeugt, Andreas Mailath Pokorny wird als sein Nachfolger innovative Fortführungsszenarien für den Film entwickeln können. Unsere Lage ist dramatischer, als viele von uns wahrnehmen! Die befürchteten Einsparungen in der Fernsehproduktion beim [ORF](/company/oesterreichischer-rundfunk-orf) (durch das neue Gesetz) sind konkret, die vom Erwähnten immer wieder prophezeiten zig Millionen aus dem Privat-TV für die fiktionale Produktion sind reine Fantasie. Mut und Hoffnung machen uns immer wieder die internationale Rezeption des österreichischen Films. Nicht zuletzt auch die steigende Zahl der heimischen Kinobesucher für diesen ist ermutigend. Sollte da nicht so mancher Volksvertreter einmal nachdenken, ob er diesem Titel gerecht wird?
[Danny Krausz](/person/danny-krausz), [Dor Film](/company/dor-film-produktionsgesellschaft-mbh)


Weg nach Europa finden
In der Tat war 2001 ein fantastisches Festivaljahr für den österreichischen Film. Und auch für die Zukunft möchte ich nicht so pessimistisch sein, zu sagen: "So, das war's jetzt." Vielmehr glaube ich, dass diese Erfolge und die mit ihnen einhergehende Euphorie sich auch auf andere Filmemacher in Österreich übertragen. Viele hervorragende Filmprojekte befinden sich derzeit in Planung bzw. in Produktion - da kann auch 2002 so einiges passieren. Nicht zu unterschätzen sind natürlich die Synergieeffekte: Internationale Festivalprogrammierer und Filmkritiker schauen sich inzwischen einen österreichischen Film viel aufmerksamer an, als sie das noch vor wenigen Jahren getan hätten. Sehr optimistisch bin ich auch im Bereich Dokumentarfilm; da werden wir demnächst einige sehr interessante Produkte zu sehen bekommen. Jetzt ist es für unsere Filmemacher an der Zeit, sich noch mehr in Richtung Europa zu öffnen, allerdings ohne die eigene Handschrift zu verlieren.
[Martin Schweighofer](/person/martin-schweighofer), [Austrian Film Commission](/company/austrian-films)


Immer Nischenmarkt bleiben
So klein Österreich auch ist, es ist gelungen, mindestens ein Zweiteilung des Marktes zu erreichen. Da ist in erster Linie der Markt, der durch das Fernsehen bestimmt ist, nach wie vor durch den ORF dominiert, der größte Auftraggeber des Landes ist und deshalb auch die Bedingungen bestimmt. Wer es nicht schafft, mit dem ORF zu kooperieren, hat in Österreich nur die Chance, mit deutschen Sendern zu arbeiten, deren Stoffe klarerweise nur am Rande in Österreich angesiedelt sind. Das geringe Kapital, das auf Grund des Werbemarktes in Österreich einem Privatfernsehen zur Verfügung steht, kann in naher Zukunft keine relevante Programmschöpfung bringen. Auf der anderen Seite steht eine ausgezehrte Kinoszene. Österreich ist ein Land mit vorherrschender Autorenfilmszene, das hat seine guten und seine schlechten Seiten. Die gute Seite ist, dass österreichische Filme nicht erst seit diesem Jahr auf Festivals glänzen, das ist schon seit Jahren so, und bedeutend breiter als es die Erfolge in Cannes und Venedig dokumentieren. Die schlechte Seite daran ist, dass eine marktorientierte Produktion in einem Autorenfilmszenario natürlich leidet. Unsere Situation gegenüber dem großen Bruder Deutschland ist natürlich eine David- gegen- Goliath- Position. Wir haben leider nicht die Chance eines kleinen Sprachraumes wie einige andere Länder in Europa. um eine eigene (nationale) Filmkultur zu schaffen. Um hier wirklich im Mainstream mitspielen zu können, braucht man ebenso viel Kapital wie zurzeit noch in Deutschland zur Verfügung steht. David kann Goliath nicht mit gleichen Waffen standhalten. In Österreich wird deshalb immer der Nischenmarkt, sprich das Arthouse, bleiben, mit dem wir über die Landesgrenzen hinausschauen. Aber auch dieser Blick braucht mehr Kapitaleinsatz und mehr Mut.
[Erich Lackner](/person/erich-lackner), [Lotus Film](/company/lotus-film)


Handelnde Politiker fehlen
Die Festivalerfolge der letzten Monate versetzen uns immer mehr in die Lage, als Koproduktionspartner auch federführend nachgefragt zu werden. Inhalte aus Österreich werden zusehends exportfähiger. Das liegt ganz bestimmt auch daran, dass in unserem Land unzweifelhaft bei Autoren, Regisseuren, Produzenten ein gewisses Talent für das Medium Film vorhanden ist. Für die Anzahl der hierzulande hergestellten Spielfilmproduktionen verkaufen sich diese erstaunlich gut vor allem ins fremdsprachige Ausland. Im Gegensatz zu den Fernsehproduktionen können wir allerdings mit den Kinofilmen im deutschen Kino in nicht ausreichendem Maße reüssieren. Im Privatfernsehen sehe ich kein großes Potenzial, da der Markt in Österreich mit acht Mio. Menschen zu klein dafür ist, um die Investition des (der) Senders in die aufwändige Fiktion-Eigenproduktion zu rechtfertigen. Unser größtes Defizit liegt - auch wenn das wehleidig klingen mag - an den handelnden Personen unserer derzeitigen Bundesregierung. Hätten wir deutsche Film- und Medienpolitiker (gleich welcher coleur) wären wir das, was wir eigentlich sein wollen: neben München, Berlin, Köln der vierte relevante deutschsprachige Film- und Medienstandort.
[Helmut Grasser](/person/helmut-grasser), [Allegro Film](/company/allegro-film-produktions-gesmbh)


Kein goldenes Zeitalter
Festivalerfolge wie der von "Hundstage" unseres Mitglieds Ulrich Seidl in Venedig werden hoffentlich dazu beitragen, die finanziell kritische Lage des österreichischen Films bewusst zu machen: Subventionen schrumpfen, trotz der Tendenz, die Filmschaffenden zu Almosenabhängigen zu degradieren, von bundesstaatlich wirtschaftlichen Investitionen sind wir weiter entfernt denn je. Bundesweites Privatfernsehen beendet zweifellos einen anachronistischen Zustand in diesem Land. Aber davon sowie der damit zusammenhängenden Gesetzesänderung, die den ORF fast 80 Mio. Mark kostet, das plötzliche Anbrechen eines goldenen Zeitalters für die Filmwirtschaft zu erwarten, dieses Ammenmärchen glauben nur Redakteure jener Zeitungen, die in den Startlöchern zum Privat-TV scharren, zusammen mit Partnern im Ausland, die wohl den größten Teil der Wertschöpfung lukrieren werden. Es wird besonderer Anstrengungen aller Seiten bedürfen, sollen die Festivalerfolge nicht ein letztes Aufflackern vor dem endgültigen Erlöschen österreichischen Filmschaffens markieren.
[Alois Hawlik](/person/dr-alois-hawlik), ADA - Austrian Directors' Association


Neue EU-Mittel für die Zukunft
2001 gab es von europäischer Seite eine Reihe von Entwicklungen, die sich mittel- und langfristig auf die Struktur der Branche in Österreich auswirken werden. So fand im Frühjahr eine Überprüfungsmission der EU statt mit dem Ziel, die Höhe der öffentlichen Fördermittel bei österreichischen Filmen festzustellen. Der bisherige Stand per Ende September ist, dass laut Subsidiaritätsprinzip die Feststellung der Höhe dieser Fördermittel den Nationalstaaten überlassen bleibt. Darüber hinaus wird mit i2i (Innovation 2000 Initiative) versucht, der Branche zusätzliche Mittel auch im Bereich der Herstellung zur Verfügung zu stellen. Das MEDIA-Programm fördert bekanntlich nur die Entwicklung und den Vertrieb von Projekten - und das in Österreich mit sehr guten Ergebnissen für die vergangenen fünf Jahre. Im Rahmen von i2i werden in den kommenden drei Jahren 500 Mio. Euro bereitgestellt, um den Bankensektor verstärkt in Investitionen von Medienunternehmen einzubinden. Das Echo in der Branche und bei den politisch Verantwortlichen ist groß. Wir dürfen gespannt sein, wie es weitergeht - auch in anderen kleinen Ländern.
[Gerlinde Seitner](/person/gerlinde-seitner), [MEDIA Desk](/company/media-desk-oesterreich)

Filmschaffende zur aktuellen Situation